Nationalpark Kalkalpen lohnte sich für Biodiversität

Der Nationalpark Kalkalpen wird heuer 25 Jahre alt. Klaus Katzensteiner, stellvertretender Leiter des Instituts für Waldökologie der Universität für Bodenkultur, sieht es rückblickend als „tollen Erfolg“, dass „eine der großen zusammenhängenden Waldlandschaften Mitteleuropas“ unter Schutz gestellt wurde - zu einer Zeit, als der Druck auf die Nutzung erneuerbarer Ressourcen noch geringer war. Denn „wir haben nicht nur eine Klimakrise, wir haben auch eine Biodiversitätskrise“.

Bereits seit 1976 bestand im Sengsengebirge ein Naturschutzgebiet, 1997 entstand der Nationalpark, der auch große Teile des Reichraminger Hintergebirges umfasst, die internationale Anerkennung durch die IUCN folgte kurz danach. Zu Beginn umfasste der Nationalpark gut 16.500 Hektar, heute sind es 20.850, davon 89 Prozent Naturzone. Bei einer Biotopkartierung wurden laut Nationalpark über 900 Pflanzenarten nachgewiesen. Das entspreche etwa einem Drittel aller Spezies in Österreich, viele davon stehen auf der Roten Liste. Der Nationalpark dient der Wissensvermittlung und der Erholung, das oberste Ziel ist aber die Bewahrung der Biodiversität, er ist also ein wichtiges Klima- und Waldlabor.

Es brauche „Rückzugsgebiete, alte Wälder, Netzwerke und Korridore“, betont auch Katzensteiner. Wäre das Gebiet nicht zum Nationalpark geworden, „wären in dem Gebiet außer dem Luchs wahrscheinlich bisher keine Arten ausgestorben“, aber „der Verlust der Biodiversität ist schleichend“ und der steigende Druck, die Ressource Holz zu nutzen, bedeute meist weniger Totholz - „genau diese unterschiedlichen Absterbe- und Zersetzungsstadien von Holz sind aber für viele Höhlenbrüter, Käfer oder Pilze wichtige Lebensräume“.

Nach Ansicht vieler Forstwirte bietet der Nationalpark aber auch dem Borkenkäfer Unterschlupf, worunter die Waldwirtschaft dann zu leiden habe. „Die Forstwirtschaft hat schwer am Borkenkäfer zu knabbern - aber auch in Gebieten wo weit und breit kein Schutzgebiet oder Nationalpark ist“, hält Katzensteiner dieser Argumentation entgegen. Das liege an den Fichten-dominierten Beständen, an häufiger werdenden Schad-Ereignissen und an der Klimaerwärmung, die mehrere Käfergenerationen pro Jahr ermögliche. Im Nationalpark gebe es aber eine Pufferzone mit Borkenkäfer-Management.

Dass sich die Natur im Nationalpark weitgehend ungestört entwickeln kann, erlaubt der Wissenschaft auch einen Blick in Entwicklungsstadien des Waldes, die herkömmliche Forstwirtschaft kaum zulässt: „Es gibt zwei Phasen bei Wäldern, die besonders artenreich sind - ganz junge und ganz alte.“ So sei 1950 eine Waldfläche abgebrannt und „es gab 70 Jahre Offenland, im oberen Bereich sind die Bäumchen bis heute erst zwei Meter hoch“. Auf einer Brandfläche könne durchaus die doppelte Zahl an Arten vorkommen wie im Wald, so Katzensteiner. Wie stark man in einem Nationalpark bei Elementarereignissen eingreift, ist Abwägungssache: „In den 1980er-Jahren ist der halbe Yellowstone Nationalpark abgebrannt - ist auch spannend, aber es wäre wohl nicht gesellschaftlich akzeptiert, wenn man die Sengsengebirgs-Südseite abbrennen lassen würde.“

Auch die natürliche Baumartenzusammensetzung entwickelt sich im Nationalpark wieder in Richtung natürlicher Waldgesellschaften: „Gerade im Hintergebirge hat man immer die Fichte favorisiert, die Buche war der Feind des Forstwirts“, sagt Katzensteiner, aber „sobald man das ändert, ist die Buche am Vormarsch“. Bei der Weißtanne hingegen „wird es noch einige Zeit dauern, bis sie wieder stärker an der Waldgesellschaft beteiligt ist“. Völlig unberührt sind nur wenige Hektar im Nationalpark: „Urwälder im eigentliche Sinn gibt es nur in kleinen Resten von Buchenwald.“ Der Tourismus lasse sich von diesen Relikten gut fernhalten, „weil kein Wander- oder Radweg hinführt“.

Der Boku-Forscher weist auch auf die Bedeutung der Bewahrungszonen hin, wo Kulturlandschaften wie Almen gepflegt werden, was für viele Arten wichtig sei. Auch Gewässer- und Karst-Systeme würden im Nationalpark eine große Rolle spielen, etwa „Quellnischen, in denen laufend neue Arten entdeckt werden, oder Höhlensysteme mit sehr vielfältigen Organismengemeinschaften“.

Im Gegensatz zu diesen eher verborgenen Naturschätzen ist das in der öffentlichen Wahrnehmung wohl am häufigsten genannte Aushängeschild des Nationalparks der Luchs: Der Versuch, mit Wildfängen aus der Schweiz eine neue Population aufzubauen, lief anfangs gut. Dann setzte aber eine Serie illegaler Abschüsse dem Projekt zu, hinzu kam eine - möglicherweise hormonell bedingte - Babyflaute. Eine nochmalige Auswilderung wird diskutiert, die Politik zögert aber. Katzensteiner hingegen würde „unbedingt“ noch einmal auswildern, um die genetische Fitness zu erhalten. Beim Schwarzwild hingegen, dessen Abschuss die Jägerschaft will, kann er sich eine Bejagung durchaus vorstellen: Dieses vermehre sich unkontrolliert und habe keine natürlichen Feinde.

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