Wien – „Mehr kampfbereite Islamisten in Österreich als je zuvor.“ Mit diesem Titel läuft am Dienstag gegen Mittag ein Bericht in den Nachrichtenagenturen. Laut Verfassungsschutz gebe es derzeit 50 Österreicher, die sich in Syrien im Kampfeinsatz befänden. Für Peter Gridling, den Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, kurz BVT, ist klar: „Die Zahl der hier beheimateten Personen, die bereit sind, an solchen kriegerischen Handlungen teilzunehmen, noch nie so groß wie jetzt gewesen.“
Die größte Gefahr für die Sicherheit Europas geht nach wie vor von religiös motiviertem Extremismus und Terrorismus aus – auch wenn es keine konkreten Hinweise auf geplante oder beabsichtigte Anschläge in Österreich gibt“, fügt der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit Konrad Kogler hinzu. Als konkretes Beispiel wird ein Hauptverdächtiger angeführt, der 2011 gemeinsam mit weiteren Personen in Österreich wegen des Verdachts von Radikalisierungs- und Rekrutierungsaktivitäten sowie Anschlagsplanungen verhaftet und 2012 zu drei Jahren unbedingter Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Gegen zwei weitere Personen hat die Staatsanwaltschaft Wien internationale Haftbefehle erlassen.
Dürres Zahlen- und Faktenmaterial, dafür Spekulation
Und das war es dann auch schon mit den Zahlen und Fakten zu diesem Themenkomplex. Zur generellen Feststellung, Gridlings und Koglers, dass auch auch 2012 der Extremismus keine Gefahr für die Demokratie in Österreich dargestelle, passen aber die geringen Fallzahlen in diesem Bereich.
Auf Zahlen, wie viele radikale Islamisten in Österreich tätig sind, wollte sich Gridling nicht einlassen. Diese seien marginal im Vergleich zur Zahl der Muslime hierzulande insgesamt, ein gewisses Potenzial sei aber zweifelsohne vorhanden.
Aus dem Syrien-Krieg nach Österreich zurückgekehrt sind nach Gridlings Angaben bereits neun Kämpfer. Sie werden unter Beobachtung gehalten, bis die Behörden sicher sind, dass von ihnen keine Gefahr ausgeht. Konkrete Delikte nachgewiesen werden konnten ihnen nicht.
Im Verfassungsschutzbericht wird darauf hingewiesen, dass solche Rückkehrer eine Art logistische und kommunikative Brückenfunktion zwischen Kampfgebiet und Herkunftsland übernehmen könnten. Zudem – spekuliert der Verfassungsschutz – könnten sie eine Vorbildwirkung übernehmen, was einen zusätzlichen Impuls für potenzielle Freiwillige darstellen könne.
Geringe Fallzahlen und „keine Gefahr“
Statt Einzelfälle beispielhaft zu sezieren, findet sich im Bericht des Verfassungsschutzes im Bereich des Rechts- und Linksextremismus statistisches Material - es wird also konkreter:
Angestiegen sind im Vorjahr die Tathandlungen im Rechts- und Linksextremismus. 519 rechtsextremistische, rassistische, islamophobe etc. Tathandlungen kamen zur Anzeige und damit 40 mehr als 2011. Dafür stieg auch die Aufklärungsquote von 50,3 auf 54,1 Prozent.
Insgesamt stelle der Rechtsextremismus aber „keine Gefahr für die demokratische Grundordnung“ dar, versicherte Kogler. Und ergänzte, der Linksextremismus sei ohnehin in Österreich traditionell auf niedrigem Niveau. Allerdings: Gestiegen ist hier die Zahl der Tathandlungen sehr deutlich, nämlich von 93 auf 142. Die Aufklärungsquote lag hier bei 26,2 Prozent (2011: 18,3 Prozent).
Noch dürrer als beim Thema „religiös motivierter Extremismus und Terrorismus“ sieht wohl die Faktenlage beim Thema Spionage aus. Hier gaben sich die beiden Spitzenbeamten extrem wortkarg, was Vorwürfe rund um die Aktivitäten des US-Geheimdiensts NSA in Österreich angeht.
Spionage findet statt
Berichte darüber, dass es in einem Wiener Gebäude einen Lauschposten gebe, bestätigte Gridling nicht. Seiner Darstellung nach handelt es sich dabei bloß um eine Stelle, an der offene Quellen ausgewertet würden, was laut dem BVT-Chef die Übersetzung von Zeitungsberichten heißen soll. Hinweise, dass es Spionagetätigkeit gebe, habe er nicht: „Es ist uns aber bewusst, dass es Leute gibt, die immer Spione sehen.“
Dass es in Österreich Spionage gibt, ist für die Exekutive allerdings unbestritten. So seien alleine 31 Prozent der österreichischen Unternehmen Ziel von Spionage-Aktivitäten gewesen, berichtete Kogler unter Bezug auf eine entsprechende Studie. Ein Bedrohungsszenario für die österreichische Wirtschaft, den österreichischen Bürger, die österreichische Infrastruktur? Auch nach all den Enthüllungen durch Edward Snownden beim BVT nach allem, was im Bericht nachzulesen ist, wohl kaum.
Dafür will sich das Innenministerium künftig auf eine verstärkte Prävention konzentrieren. Es geht wieder um den Extremismus und Kogler meint: „Terrorismus fällt nicht vom Himmel.“ Etabliert wird daher im kommenden Jahr eine Stelle für „De-Radikalisierung“. An diese sollen sich vor allem Angehörige wenden können, die merken, dass ihre Kinder oder Lebenspartner in radikale Szenen abdriften. Verstärkten Kontakt sucht man auch – vor allem im Zusammenhang mit islamistischen Tendenzen – mit NGOs und Religionsgemeinschaften. Pläne für eine verstärkte Anti-Spionagetätigkeiten des BVT oder des BMI zum Schutz der Rechte der Bürger und der Wirtschaft nannte weder Peter Gridling noch Konrad Kogler noch sind welche im Bericht für Verfassungsschutz aufgeführt. (tt.com, APA)
Die rechtsextremistische und auch die linksextremistische Szene stellen in Österreich keine akute Gefahr für die demokratische Grundordnung dar. Die größte Gefahr für die Sicherheit Europas geht nach wie vor von religiös motiviertem Extremismus und Terrorismus aus - auch wenn es keine konkreten Hinweise auf geplante oder beabsichtigte Anschläge in Österreich gibt.“
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