Von Reinhard Fellner
Innsbruck – Im Herbst 2014 kam es bis ins Folgejahr zu einer Flüchtlingswelle, die ganz Europa und so auch Österreich erst einmal überfordert hatte. Obwohl der Zustrom aus Ländern wie dem Irak, Syrien, Libyen oder Afghanistan wieder zurückgegangen ist, leben einst aufnahmebereite Länder nun mit den Folgen. „Herausforderung Migration“ lautete deshalb gestern das Thema einer Tagung der Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck. „Die Sicherheit war damals gefährdet. 30 Schwarzafrikaner standen plötzlich vor Streifenwägen. Die Polizeiinspektion wusste wiederum nicht, dass ums Eck gerade ein Flüchtlingsheim errichtet worden war“, schilderte Peter Öhm, Leiter des Verfassungsschutzes in Tirol. Ein Kommunikations-Organigramm zwischen Land, Bezirkshauptmannschaften und Landespolizeidirektion sorgt nun dafür, dass einstige Defizite der Vergangenheit angehören.
Mittlerweile wurde in jeder Polizeiinspektion sogar ein Migrationsbeauftragter installiert, der regelmäßigen Kontakt zu Flüchtlingsheimen hält und sich über die Bewohner unterrichten lässt. Öhm: „Wir haben nämlich jetzt auch Problemfälle hier.“ Insbesondere die Afghanen würden die Polizei mit einer neuen Art von Gewalt konfrontieren. Da sie selbst wüssten, dass deren Asylansuchen abgelehnt werden, hätten diese Staatsbürger „meist wenig zu verlieren“. Zudem seien sie „meist mit Messern bewaffnet“ und würden die „Grenzen der heimischen Polizei sowie die Weiten unseres Sozialsystems genau kennen“. Weibliche Beamte würden nicht als Autoritätspersonen akzeptiert. Der aus Innsbruck stammende Wiener Kriminalsoziologe Walter Fuchs stellte dafür vor 90 Hörern aus 21 Tiroler Institutionen klar, dass die Kriminalität durch Ausländer nicht ständig im Steigen wäre.
Ohne kürzlich Eingebürgerte wissenschaftlich berücksichtigen zu können, zeigen Zahlen sogar einen Rückgang der Delikte durch Ausländer. Demnach habe Kriminalität auch nichts mit Ethnien oder Staatsangehörigkeiten zu tun, sondern sei eben seit jeher Spiegel der sozialen Stellung der jeweiligen Personen. Fuchs: „Es ist eine Sache des sozialen Status. Kriminalität ist männlich. Dazu geht sie immer mit geringer Bildung und längerer Arbeitslosigkeit einher. Dies sind die Risikofaktoren der Kriminalisierung.“ Ins gleiche Horn blies die Bewährungshilfe Neustart: „Nur eine gute Sozialpolitik ist auch eine gute Kriminalitätspolitik“, bekräftigte Winfried Ender. Fuchs zweifelt dazu an Statistiken: „Ausländer kommen eben selten in den Genuss einer Diversion.“
Auch Suchtgift-Staatsanwalt Thomas Willam sieht einen vermehrten Aufgriff von ausländischen Dealern darin begründet, dass diese eben auf der Straße arbeiten müssen und so gegen sie viel zielgerichteter vorgegangen werden kann.
Eva Pawlata vom Gewaltschutzzentrum Tirol sieht sich durch die Migrationswelle vor völlig neue Herausforderungen gestellt. So haben sich die Ausgaben für Dolmetschleistungen verdoppelt. Auch seien Frauen mit Migrationshintergrund sachlich gesehen öfter von schwerer Gewalt betroffen. Auch sei es schwierig, die Erwartungshaltung der Klientel zu erfüllen. Pawlata: „Da wir auch männliche Opfer betreuen, hatten wir einmal einen Afghanen, der aggressiv und laut schreiend von uns forderte, doch endlich etwas gegen die Taliban zu unternehmen.“ Schwerer wiegt für Pawlata jedoch der psychische Zustand vieler Frauen: „Viele sind aufgrund ihrer Dauerkrise gefährdet, psychiatrische Krankheiten zu entwickeln.“
Justizanstaltsleiter Reinhard Potocnik umriss das Problem vieler Behörden: „Wir sind bei zu wenig Personal derzeit für 511 Insassen aus 46 Nationen mit zehn Religionen verantwortlich. Haft kann aber Probleme der Migration ohnehin niemals lösen.“
Schlagworte