Von Helmut Mittermayr
Reutte – Ein Küchenstudio, Pizzerias, eine Metzgerei, Zahn- sowie Frauenarzt, ein Kebapstand, ein Farbengeschäft, Lokale und Nachtbars, ein Sportartikelgroßhändler, Friseure, Büros – alles Unternehmen, die dem Reuttener Sommer entgegenzittern. In der Lindenstraße muss von 19. Juni bis Mitte/Ende September der Kanal getauscht werden. Mindestens drei Monate, in denen Anrainer nur erschwert ihre Häuser erreichen werden, Betriebe mit Umsatzeinbußen rechnen müssen (die TT berichtete).
Reuttes Bürgermeister Alois Oberer rechnet zwar damit, dass auf dieser Hauptverkehrsachse mit rund 15.000 Fahrzeugen täglich eine Spur offen gehalten werden kann – und zwar immer von Lechaschau Richtung Reutte. „Aber nur eingeschränkt und ganz sicher nicht für den fließenden Verkehr. Nur Anrainer, Kunden und vielleicht Linienbusse sollen einfahren können. Wie man allerdings Kunden von Durchfahrern unterscheiden könnte, bevor es dann doch wieder alle probieren“, ist laut Oberer eine wahrscheinlich nicht zu klärende Frage. Von der Lechaschauer Brücke gesehen wird die Lindenstraße entlang der rechten Fahrspur aufgegraben, auf der linken Seite kann ein Notverkehr Richtung zentraler Kreisverkehr fahren. Rechtsliegende Geschäfte wie etwa die Metzgerei Kastner oder Hausbesitzer bekommen Zufahrten zu ihren Grundstücken, so gut das eben möglich ist. Da nur Richtung Reutte gefahren werden kann, wird die Einbahnregelung bei der Diskothek Rockers umgedreht.
„Diese Problematik werden wir auch durchstehen. Es hilft ja sowieso nichts“, erklärt Herbert Kastner gegenüber der Tiroler Tageszeitung. Kastner ist ein Begriff im Außerfern – neben Ratzenberger (Ehrwald) und Sonnweber (Stanzach) eine der drei letzten selbstständigen Metzgereien im Bezirk. Das große Metzgerei-Sterben hat dieses Unternehmen überstanden: „Wir wachsen sogar leicht und in gesundem Maß“, erzählt Kastner. Ein Erfolgsrezept neben der fachlichen Ebene: Gleich drei Familien Kastner einer Generation von Werner, Herbert und Andreas arbeiten Hand in Hand. „Sonst ginge es nicht“, spricht Werner Kastner für die Großfamilie. Zehn Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen, das in einer eigenen Wursterei noch alle Produkte selbst herstellt und auch das Rindfleisch aus eigener familieninterner Viehzucht in Weißenbach bezieht.
Wie man sich bei Kastners auf das Kommende vorbereitet, ist schnell beantwortet: Einfach weitermachen und den hausinternen Parkplatz ab sofort für alle Kunden öffnen. Dies soll dann auch nach der Sperre so bleiben. Verworfen wurde die Idee eines eigenen Verkaufswagens, der in den Sommermonaten im Zentrum Reuttes hätte platziert werden sollen. Kastner: „Das ist aus Hygienegründen nicht machbar. Der Stand wäre zu klein, kühle und heiße Theke in einem geht nicht.“ Das Betreiben einer Filiale in einer leerstehenden Ladenfläche entlang der Reuttener Hauptachse wurde gleich gar nicht näher erwogen. „Das hatten wir früher schon einmal. Aufwand ohne Ende“, schüttelt Kastner den Kopf.
Der Ganzjahresbetrieb kann keinesfalls eine Betriebsruhe ausrufen. Über den Großhandel – von Plansee bis Hotelbelieferungen – werden 70 Prozent des Umsatzes abgedeckt. „Und im Detailverkauf hoffen wir, dass uns die Kundschaft im Laden nicht abspringt, der Schaden begrenzt bleibt“, sagt Kastner. Die Kaufmannschaft sei sehr bemüht, die Kunden gut zu informieren, die Wirtschaftskammer habe sogar eine gewisse Entschädigung in Aussicht gestellt.
„Andere in der Straße packen’s nicht so leicht“, spricht Kastner die Befindlichkeit so manches Unternehmers an. „Ein Jammern ohne Ende“, lacht er auf, „aber das ändert ja nichts an den Tatsachen.“
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