Unwetter hinterließ Spur der Verwüstung im Sellrain und Paznaun
Unzählige Murenabgänge und Bäche, die wie reißende Flüsse durch Ortschaften flossen: Unwetter haben in der Nacht auf Montag in Teilen Tirols schwere Schäden angerichtet.
Von Christoph Rauth
Sellrain, See – Nach den schweren Unwettern im Sellrain- und Paznauntal sind am Montag die Aufräumarbeiten angelaufen. 250 Mann des Bundesheeres wurden in den Assistenzeinsatz nach Sellrain und See geschickt. Die Feuerwehren stehen mit rund 1.200 Mann im Einsatz und das Rote Kreuz hat 40 Hilfskräfte in der Betreuungsarbeit eingesetzt (acht im Bezirk Innsbruck-Land und 32 im Paznauntal).
Dutzende Murenabgänge und Überschwemmungen haben großen Sachschaden angerichtet. „Die Situation ist dramatisch“, sagte Landesgeologe Gunther Heißel Montagfrüh.
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See im Paznaun verwüstet
Besonders kritisch ist die Lage in See: Der Schallerbach trat in der Nacht über die Ufer, „stürzte wie ein kleiner Fluss den Berg hinunter und reißt alles mit sich, was er erwischen kann“, sagte Heißel. Der Ortsteil Gries wurde verwüstet, rund 20 Häuser mussten evakuiert werden. „Im Oberlauf des Schallerbaches ist eine Verbauung gebrochen“, sagte Landesbaudirektor Robert Müller.
Zehn Feuerwehrleute wurden in einem höheren Bereich eingeschlossen. „Sie mussten mit einem Bundesheerhubschrauber geborgen werden“, erklärte Stefan Thaler von der Landeswarnzentrale.
Kritische Lage in Sellrain
Ebenso heikel ist die Lage im Sellrain: Die Melach trat über die Ufer. Das Bachbett ist vom Fußballplatz bis in den Ort hinein zerstört. Links und rechts der Straße sind die ganze Nacht Muren abgegangen. „Die Melach fließt teilweise durch die Häuser“, beschrieb Landesbaudirektor Müller die Ereignisse. Gegen Mitternacht wurde Zivilschutzalarm ausgelöst, mehrere Häuser wurden evakuiert.
Die Feuerwehren befanden sich die ganze Nacht im Dauereinsatz. Feuerwehrkommandant Georg Jordan sprach am Morgen von einem „Bild des Schreckens“. Bürgermeister Norbert Jordan rang im Life-Radio-Interview mit den Tränen: „So etwas habe ich noch nie gesehen.“ Der gesamte Ortskern sei verwüstet. Verletzte gibt es zum Glück keine.
Insgesamt 30 Personen wurden evakuiert und 23 vom Roten Kreuz in der eilig eingerichteten Versorgungsstelle in Oberperfuß versorgt. Monika Larcher vom Roten Kreuz Innsbruck-Land berichtet, dass die Betroffenen zum Teil aus dem Schlaf gerissen wurden und kaum etwas mitnehmen konnten. Ein Kriseninterventionsteam kümmere sich um die Evakuierten. Die Melach erreichte in der Nacht in kürzester Zeit den Pegel eines 100-jährigen Hochwassers.
Die Sellraintalstraße (L13) ist auf mehrere hundert Meter schwer beschädigt. „Sie wurde an einigen Stellen unterspült oder weggerissen. Bei den Straßengalerien stehen teilweise Fundamente in der Luft. Die Runacherbrücke auf der Oberperfer Straße ist zerstört“, so Müller. Bis Freitag soll mit Hilfe der Bundesheerpioniere eine Hilfsbrücke errichtet werden, die dann eine beschränkte Zufahrt zwischen Oberperfuss und Sellrain sicherstellen soll. Die Straße übers Kühtai war bis Gries im Sellrain befahrbar.
Platter: „Die Schäden sind enorm“
Landeshauptmann Günther Platter versprach nach einem Flug über die beiden schwer getroffenen Gebiete rasche Hife: „Ich bin tief betroffen. Die Schäden sind enorm und die Bevölkerung in den betroffenen Gemeinden braucht unsere ganze Unterstützung.“ Der LH kündigte für die Betroffenen volle Unterstützung aus dem Katastrophenfonds an.
Platter hatte das Bundesheer um einen Assistenzeinsatz ersucht. Im Sellraintal wird das Heer mit schwerem Gerät aushelfen.
Außerdem wurden auf Anforderung der Bezirkshauptmannschaft Landeck Mannschaften für Aufräumarbeiten nach See geschickt. „Wir haben im Bezirk Landeck die Alarmstufe gelb ausgerufen. Hauptsächlich geht es um die Verpflegung der hunderten Einsatzkräfte“, informiert Oswald Gritsch, stellvertretender Landesrettungskommandant des Roten Kreuzes Tirol.
Die Freiwilligen Feuerwehren waren in den beiden vergangenen Nächten enorm gefordert: „Wir haben rund 700 Einsätze bewältigt und dabei 2.500 Feuerwehrleute alarmiert“, berichtete Landesfeuerwehrkommandant Peter Hölzl. Zur Unterstützung der Feuerwehren in den betroffenen Gemeinden wurden zudem die Katastrophenhilfszüge aus den Bezirken Innsbruck-Stadt, Imst und Landeck alarmiert.
Straßensperren auch in anderen Teilen Tirols
Auch Polling wurde am Sonntagabend erneut von heftigen Unwettern heimgesucht. Es kam wieder zu Überschwemmungen. Betroffen war auch Flaurling: Wegen Hochwassers wurde die Völser Landesstraße (L11) in beiden Fahrtrichtungen gesperrt, eine Umleitung ist über Flaurling-Bahnhof möglich. Auch zwischen Hatting und Polling war die Landesstraße nach Erdrutschen gesperrt.
Im Unterland kam es ebenfalls zu Erdrutschen: Laut ÖAMTC wurde die Tiroler Straße (B171) zwischen Schwaz und Pill in der Früh vorübergehend in beide Fahrtrichtungen gesperrt. Auf der Wattental Straße (L339) besteht bei Wattenberg Steinschlaggefahr.
Im Stubaital wurde die Ranalter Landesstraße (L232) zwischen Neustift und Ranalt nach Murenabgängen gesperrt. Am Vormittag kam es in Neustift erneut zu einem Erdrutsch. Zwei Häuser mussten dort evakuiert werden.
Zwischen Tösens und Ried im Oberinntal ist die L65 nach einem Erdrutsch in beide Fahrtrichtungen gesperrt. (TT.com)
Alle aktuellen Infos zu den Straßensperren finden Sie auf der Homepage des ÖAMTC: http://go.tt.com/1MAHzZQ