Wenn Engel auf Reisen gehen
Der berühmte Inntalengel von Alois Schild auf dem Radfelder Klärwerk wurde generalüberholt. Ein Unbekannter erstattete sogar bei der Polizei Anzeige, weil er einen Monat lang nicht mehr zu sehen war.
Von Wolfgang Otter
Radfeld –Auch kopflose Engel brauchen von Zeit zu Zeit eine neue Farbe. Daher entschied man sich beim Abwasserverband (AWV) Brixlegg und Umgebung, den gelben Inntalengel des international bekannten und anerkannten Tiroler Künstlers Alois Schild zu sanieren. Immerhin wacht er bereits seit knapp 23 Jahren über das Radfelder Klärwerk und grüßt die auf der Inntalautobahn fahrenden Tiroler und Urlauber.
Der Engel ist ein bereits wohlvertrauter Anblick, so sehr, dass sich plötzlich der Abwasserverband einer Anzeige gegenübersah, als er zur Sanierung vom Dach genommen wurde. „Ein Unbekannter hatte bei der Polizei den Diebstahl des Engels angezeigt“, erzählt AWV-Geschäftsführer Hans Herbert Klein schmunzelnd. Die Polizei konnte schließlich die Ermittlungen einstellen, der Engel befand sich in einer Halle des Klärwerks, wo er gerade „neue Schrauben und seine Farbe erhielt“, wie Verbandsobmann Rudolf Puecher, Bürgermeister von Brixlegg, erzählt.
Der Engel war vor 23 Jahren, als er aufgestellt wurde, „eine Provokation und ein Zeichen“, erzählt Alois Schild bei einem Telefonat mit der Tiroler Tageszeitung. Er hält sich derzeit in Frankreich auf.
Schild wollte mit dem Engel, der ein Flugzeug auf dem Rücken hat und ein Auto in der Hand hält, auf die Verkehrsbelastung zu seinen Füßen auf der Inntalautobahn hindeuten, auch den „unmenschlich-menschlichen Wettlauf mit der Zeit versinbildlichen. Sie ist ein gelber, vertikaler Gedankenstrich in der rasenden Bilderflut der Vorbeifahrenden“, wie Schild die Skulptur beschreibt. Für den Künstler, der gerade ein Jahr zuvor die Akademie abgeschlossen hatte, war es das erste große Referenzwerk.
Der kopflose Engel war von Anfang an Gegenstand von recht hitzigen Diskussionen. Er animierte auch zu Aktionismus. Unbekannte verpassten ihm wenige Wochen nach dem Aufstellen sogar einen Kopf mit Tiroler Hut. „Für mich war es ein Beitrag zur Diskussion, daher haben wir den Kopf noch einige Zeit an der Skulptur gelassen“, erinnert sich Schild. Er selbst habe ihn dann schließlich in luftiger Höhe von der Skulptur geholt.
Gestern war es nach rund einmonatiger Sanierung und Abwesenheit der Skulptur am Klärwerkdach so weit: Die rund 2,1 Tonnen schwere Stahlfigur schwebte ganz einem Engel gleich nach oben. Dabei war absolutes Fingerspitzengefühl vom Kranfahrer gefragt, der die Skulptur nach oben hob, wo sie von Arbeitern wieder sicher verankert wurde. „Da wirken bei Sturm gewaltige Kräfte drauf“, weiß Puecher.
Gekostet hat die Frischzellenkur für das gelbe Sinnbild 12.000 Euro, also mehr als der Kaufpreis: 120.000 Schilling (samt Aufstellungskosten) bezahlte der Verband. „Wenn man bedenkt, was heute ein Schild kostet, war das nicht allzu teuer“, sagt Verbandsobmann und Bürgermeister Rudolf Puecher.