Musik

Soundtrack zum sozialen Wandel

© MEGAN THOMPSON

Die US-Band „Anti-Flag“, die am Donnerstag beim Summer Punk Rock Festival im Weekender spielt, im TT-Gespräch über Politik und Emotion.

Auf dem neuen Anti-Flag-Album „American Spring“ werden Themen wie Kapitalismus, Drohnen und ein um sich greifender Zynismus verhandelt. Ist Punk da die richtige Antwort?

Chris Barker: Ich glaube nicht, dass es darum geht, eine Antwort zu finden. Wenn aber die Geschichtsschreibung auf das Jahr 2015 zurückblickt, wird sie es als ein Jahr verzeichnen, in dem die Kluft zwischen Reich und Arm größer war als je zuvor. Eine Zeit, in der die US-Polizei scheinbar nach Lust und Laune morden kann. Eine Zeit, in der Fragen von Herkunft, Sexualität und Orientierung im Vordergrund des öffentlichen Diskurses stehen. Und in dieser Zeit gab es eine Band namens Anti-Flag, die eine Platte mit Songs aufgenommen hat, bei denen es um die Menschlichkeit geht, eine Platte, die auf der Seite der Menschen steht.

Stilistisch ist das Album sehr abwechslungsreich. War es ein Anliegen, alle Facetten des Punkrock zu zeigen?

Barker: Wir haben einfach nur versucht, das Beste für jeden einzelnen Song herauszuholen. Weder Genre noch Furcht können uns diktieren, wie die Songs klingen sollen. Der Sound sollte einfach zur Botschaft passen und uns bewegen. Wir haben diese Platte in erster Linie für uns gemacht. Und wir freuen uns irrsinnig, dass sie auch anderen gefällt. Aber beim Aufnehmen haben wir uns keine Gedanken über die Zuhörer gemacht.

Die Platte heißt „American Spring“ in Anlehnung an „Arab Spring“, dabei endete der Arabische Frühling vielfach in einem Albtraum.

Barker: Der Arabische Frühling hatte weltweit enorme Wirkung, weil erstmals die Technologie dazu genutzt wurde, die Massen zu mobilisieren. Die Revolution endete leider in Gewalt, aber daraus können wir lernen. Erfolgreich sind nur friedliche Revolutionen. Wir sollten die geschichtlichen Ereignisse nutzen, um wieder von vorne zu beginnen, Paradigmen ändern sich.

Ihr habt euch darüber beklagt, dass nicht nur der Punkrock, sondern die Musik ganz allgemein zu den weltweiten Gräueltaten schweigt. Mittlerweile gibt es aber wieder mehr Bands mit Botschaft.

Barker: Ja, das hat sich geändert, wenn man etwa die neuen Platten der Desaparecidos und von Refused hernimmt oder The Homeless Gospel Choir, Architects, Endless Mike and The Beagle Club. All diese verschiedenen Künstler machen Musik für einen sozialen Wandel. Es passiert gerade ein Umschwung im Punk, der die Kultur wieder antreibt. Was die Gesellschaft generell anbelangt, sind freilich auch die sozialen Netzwerke ein wichtiges Werkzeug, aber der Hashtag-Aktivismus ist nur ein Anfang. Die Leute müssen wieder auf die Straßen gehen.

Ihr seid politischen Themen stets treu geblieben, auch weit über die 2000er-Jahre hinaus, obwohl ihr schließlich die Einzigen auf weiter Flur wart.

Barker: Wir haben immer ein Ziel verfolgt: Gleichberechtigung. Das verfolgen wir weiter, egal ob das gerade gut ankommt.

Euer Engagement ist vielfältig. Ihr habt mit Michael Moore Demonstrationen gegen den Irakkrieg unterstützt, engagiert euch für Amnesty International, Greenpeace, PETA oder für die Occupy-Bewegung. Wäre es vielleicht zielführender, sich nur auf ein Thema zu konzentrieren?

Barker: Uns sind all diese Themen wichtig. Normalerweise hören wir die entgegengesetzte Frage: „Warum sagt ihr nichts hierzu oder dazu?“ Die Antwort ist in beiden Fällen die gleiche, wir schreiben darüber, was für uns alle vier wichtig ist. Wir können nicht lügen oder Leidenschaft vortäuschen. Nicht nur die Songs würden darunter leiden, es wäre auch ungerecht gegenüber jenen, die wirklich für eine Sache kämpfen.

Ihr seid 22 Jahre im Business, macht sich da nicht allmählich Frustration breit? Und sind auf der Platte deswegen emotionellere Songs als früher?

Barker: Natürlich frustriert uns das, aber auf Tour treffen wir wundervolle Menschen, die uns Hoffnung geben und daran glauben, dass eine bessere Welt möglich ist. Lieder, Bands oder Platten ändern einen Scheiß. Das machen die Menschen. Menschen, die von diesen historischen Momenten dazu inspiriert werden. Wir haben das Glück, Leute zu treffen, die die gleichen Ziele verfolgen: Die Dinge in einem besseren Zustand zu hinterlassen, als man sie vorgefunden hat. Da liegt sehr viel Optimismus drin. Die Lieder haben insgesamt mehr Emotionalität, weil wir mehr Emotionen hatten. Eine 14-jährige Beziehung ist zerbrochen, als ich an dieser Platte geschrieben habe, eine Beziehung, die all die Jahre bestimmt hat, die ich in der Band war. Das hört man den Songs freilich an.

Das Gespräch führte Silvana Resch

Summer of Punk

Sonnengetränkten Ska-Punk liefern Less than Jake, Spaßband-Urgesteine aus Florida. Heute Abend (Doors: 19 Uhr) heizt die Truppe im Weekender ein, Support kommt von den deutschsprachigen Punkrockern Radio Havanna.

„Anti-Flag“ treten mit ihrem neuen zehnten Studioalbum „American Spring“ morgen im Weekender auf. Die Tiroler Pop-Punkband Boarding Line spielt im Vorfeld.

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