Freddy Mamani: Der kunterbunte Anden-Architekt

El Alto (APA/dpa) - Eine staubige Straße, triste Backsteinhäuser, einige ohne Fenster. Es ist zugig hier auf 4.000 Metern Höhe in der bolivi...

El Alto (APA/dpa) - Eine staubige Straße, triste Backsteinhäuser, einige ohne Fenster. Es ist zugig hier auf 4.000 Metern Höhe in der bolivianischen Andenmetropole El Alto. Vor 30 Jahren eine reine Armensiedlung, ist es heute eine aufstrebende Millionenstadt. Und dann steht da ein Haus, wie vom Himmel gefallen. Bunte Farben, Muster, die an die Inka-Baumeister erinnern.

Außen ein Schild: „Salon de Eventos Principe Alexander“. Es geht eine von Spiegeln eingerahmte Treppe hoch, und was dann das Auge erblickt: Ein riesiger Saal, ein Farben-Wirrwarr und pompöse Kronleuchter. 1.500 Leute können hier feiern. Diese Farben. Diese Formen. Eine Million Dollar hat das Haus gekostet, für westliche Verhältnisse ein Schnäppchen. Oben drüber ist ein Fußballplatz, ganz oben wohnt der Besitzer, der Kleidungsfabrikant Alejandro Chino Quispe. Kritiker finden das Ganze aber einfach nur kitschig.

Die Kronleuchter, importiert aus China, gehen an, Freddy Mamani steht inmitten seines Werks, ein riesiger Schmetterling ziert die Decke, die gelben, roten und grünen Säulen zeichnen sich durch bis zu zehn unterschiedliche Schattierungen einer Farbe aus. Das viele Grün steht für die Verbindung der indigenen Völker zu Natur und Schöpfung, sie verehren die Madre Tierra, die Mutter Erde. „Wenn sie hier in der Nacht tanzen, ist es eine andere Welt“, sagt Mamani. Da fließen die bunten Kleider, die wehenden Röcke der Cholitas und die Farben ineinander über. Gefragt sind von ihm vor allem große Ballsäle, hier liebt man das gemeinsame Feiern.

Der 42-jährige Mamani nennt seinen Stil neue andine Architektur. Beeinflusst vor allem von der Prä-Inka-Architektur in Tiwanaku, sagt er. Diese zum Weltkulturerbe gehörende Stätte nahe des Titicaca-Sees zeichnet sich durch klare geometrische Formen aus, berühmt ist das Sonnentor. Daran hat Mamani Anleihen genommen, vor allem sind es aber die Farben, die seine Bauten so speziell machen. Diese orientieren sich an der Farbigkeit der indigenen Aymara-Kultur, bis heute ist die Kleidung äußerst bunt.

„Wie Gaudi in Barcelona oder Niemeyer in Brasilia hat Freddy Mamani die Möglichkeit, die Ästhetik einer ganzen Stadt zu gestalten“, urteilt der britische Guardian über den „rising star“, der im November in den USA seinen Stil vorstellen soll. Mamani hat bereits 60 solcher andinen Farben-Tempel gebaut, seit 13 Jahren hat er, der gleich drei Studiengänge absolviert hat, an seinem Stil gefeilt. Sein eigenes Appartement sei auch nicht gerade farbenarm. Er fühlt sich El Alto, seiner Heimat verbunden, hat aber inzwischen auch Anfragen aus dem Ausland. El Alto ist eine überwiegend von Indigenas bewohnte Millionenstadt.

Sie liegt oberhalb des Talkessels von La Paz, wo die Regierung sitzt. Mamani will Zeichen setzen gegen diese monotone Bauweise mit roten Ziegeln. Lange Zeit war El Alto eher Überleben als Leben. Doch unter dem ersten indigenen Präsidenten des Landes, Evo Morales, zirkuliert plötzlich viel mehr Geld. Immer wieder wird der neue Bauboom auch mit Geldern aus dem Drogenhandel begründet. Belegen lässt sich das nur schwerlich. „Viele sind Kaufleute, viele verdienen ihr Geld im Ausland“, sagt Mamani über seine Auftraggeber. Das sei die jüngste Stadt Boliviens, es gebe viel Gestaltungspotenzial.

Ortswechsel, die Baustelle eines weiteren Mamani-Baus, 15 Projekte hat er gerade. Die Farben strahlen auch hier schon auf der staubigen Baustelle, gerade wenn die Nachmittagssonne hereinscheint. Es geht hoch auf das Dach, der Blick über El Alto ist klar wie selten. Die beiden schneebedeckten Bergriesen der Cordillera Real, der Illimani und der Huayna Potosi, sind zum Greifen nah. Mamani genießt den Blick über das Häusermeer. Er sieht sich erst am Anfang, bisher sind es vor allem private Aufträge, aber er könnte ja auch Busstationen oder öffentlichen Gebäuden in El Alto seinen farbenreichen Stempel aufdrücken: „Ich will den Wandel hier mitgestalten“.