Salzburger Festspiele: „Kutiyattam“ oder die Kunst der Ausdehnung
Salzburg (APA) - Rund sieben Stunden dauert das Schminken hinter den Kulissen. Zwischen sechs und vierzig Tagen dauert ein Akt einer „Kutiya...
Salzburg (APA) - Rund sieben Stunden dauert das Schminken hinter den Kulissen. Zwischen sechs und vierzig Tagen dauert ein Akt einer „Kutiyattam“-Darbietung, des einzig noch bestehenden hinduistischen Sanskrit-Theaters. Gestern, Montag, Abend wurde bei den Salzburger Festspielen eine Kurzversion in der Kollegienkirche aufgeführt - die dennoch eindrucksvoll eine hochstilisierte Kunst der Langsamkeit demonstrierte.
Bildgewaltig ist die Aufmachung, minimalistisch die Ausdrucksform: In expressive Kostüme und Masken gehüllt, erzählen die Darsteller in erster Linie mit den Augen, durch Rollen, Aufreißen, Schielen und Heben der Augenbrauen. Jede Textzeile der Geschichte - „Die Tötung des Bali“ handelt vom tödlichen Kampf zweier Affenbrüder - wird zunächst durch Sprechgesang und im Anschluss mimisch und gestisch „vorgetragen“. Einzelne Handbewegungen und Gesichtsausdrücke haben sogar grammatikalische Bedeutung, die Tonlage des Sprechgesangs gibt etwa über den sozialen Rang des Charakters Auskunft.
Für Publikum, das weder des Sanskrit mächtig ist, noch die hochkomplexe Pantomime deuten kann, erfordert das Spektakel auch in der auf zwei Stunden reduzierten Form aber durchaus Sitzfleisch. Auf einem Bildschirm wurden zwar Untertitel geboten, sie machten die schier unendliche Ausdehnung der Darstellung aber erst recht überdeutlich: „Komm her“ steht da minutenlang, während die Darsteller sich in kleinsten Bewegungen ergehen - stets begleitet von ebenso geringfügig modulierter, aber teils ohrenbetäubend lauter Trommelmusik.
Es gibt nur noch einige Dutzend Darsteller, die die Kunst des Kutiyattam, beheimatet im südindischen Kerala und seit 2001 „Immaterielles Weltkulturerbe“ der UNESCO, noch beherrschen. Das Ensemble Nepathya gehört zu den kleinen, familiären Schulen, die das Genre pflegen. Die Texte entstammen einem fixen Kanon und werden durch Einschübe und Nebenschauplätze immer weiter ausgedehnt - der Reiz liegt nicht im Plot, sondern in der Fähigkeit der Schauspieler, subtile Emotionen durch kleinste Gesten zu transportieren.
Dass sie dabei miteinander kaum interagieren und durch Kostüm und Maske in ihrer Expression auf die kaum sichtbaren Augen reduziert sind, stellt die Gesetze des Theaters für einen westlichen Besucher in faszinierender Weise auf den Kopf. Um sich in diesem völlig anderen dramaturgischen Kosmos zurechtzufinden und das Mitfiebern in Zeitlupe zu erlernen, sind allerdings auch zwei lange Stunden viel zu kurz.
Der Hinduismus-Schwerpunkt der heurigen Ouverture Spirituelle geht heute Abend mit einem Konzert klassisch-indischer Gesangskunst, „Dhurpad“, weiter. Auch eine modernere Form, der „Kyhal“ sowie ein opulenter Tempeltanz, „Bharatanatayam“ stehen auf dem Programm. Den stimmungsvollen Abschluss bilden die „Morgen-Ragas“, Musikstücke, die eigens für die Zeit der Dämmerung vorgesehen sind, und am Sonntag (26. Juli) um sechs Uhr morgens in der Kollegienkirche präsentiert werden.
(S E R V I C E - http://www.salzburgerfestspiele.at)