Khol warnt Regierung vor „Streit auf Deck der Titanic“
Wien (APA) - ÖVP-Seniorenbund-Chef Andreas Khol findet die Arbeit der Koalition im ersten Halbjahr zwar besser „als allgemein erwartet“, ver...
Wien (APA) - ÖVP-Seniorenbund-Chef Andreas Khol findet die Arbeit der Koalition im ersten Halbjahr zwar besser „als allgemein erwartet“, vermisst aber Reformen bei Pensionen, Gesundheit und Pflege. Die Regierung habe Handlungsbedarf, weil Hick-Hack „allzu leicht ein Streit auf dem Deck der Titanic sein könnte“, mahnte Khol. Bei der Steuerreform warf er Kanzler Werner Faymann (SPÖ) „Gesprächsverweigerung“ vor.
Die Bilanz der Regierung „kann sich durchaus sehen lassen“, meinte Khol am Dienstag bei einer Pressekonferenz etwa mit Blick auf die Steuerreform. Da seien zwar Wünsche der Senioren offen geblieben, „aber man kann nicht alles haben, hat meine Schwiegermutter immer gesagt“. Ein Wermutstropfen sei, dass rund 230.000 Ausgleichszulagen-Bezieherinnen und -Bezieher von der Negativsteuer für Pensionisten ausgenommen seien. „Besonders geärgert“ hat Khol dabei, dass der Seniorenrat monatelang um einen Gesprächstermin mit dem Kanzler gebeten, aber keinen bekommen habe. „Aufgeben tut man einen Brief“, kündigte Khol denn auch einmal mehr entsprechende Musterprozesse vor den Höchstgerichten an.
Für die Regierung sei es jedenfalls „überlebensnotwendig“, die Stimmung und ihr eigenes Ansehen zu verbessern, glaubt Khol. In den vergangenen Tagen habe immerhin ein neuer Ton geherrscht, hätten die Koalitionspartner doch gegenseitig ihre jeweiligen Vorschläge begrüßt.
Die kalte Progression in den Griff zu bekommen, wie am Montag von der ÖVP forciert, sei eine jahrelange Forderung des Seniorenbunds. Man wolle dafür aber nicht, wie sich der Gewerkschaftsbund das vorstelle, jedes Jahr neu eine „Mini-Steuerreform“ verhandeln, sondern wie offensichtlich vom Finanzminister angedacht eine Formel, dass die Beträge der Steuerstufen automatisch zur Einkommens-Entwicklung angehoben werden. Finanziert werden könnte das alles über Einsparungen durch eine Verwaltungsreform, etwa auch über das zuletzt von der SPÖ wieder beworbene „Amt der Bundesregierung“.
Handlungsbedarf für die Koalition herrscht nach Khols Ansicht wenig überraschend beim Thema Pensionen: Da kritisiert er einmal mehr, dass das Bonus/Malus-Modell noch immer nicht beschlossen ist. Auch das Pensionsmonitoring sei immer noch offen, wobei Khol genug hat vom „halbjährlichen Streit“, welche veröffentlichten Zahlen nun stimmen.
„Das Pensionssystem ist gesund“, bekräftigte er, es bedürfe eben ständiger Pflege. Natürlich werde man das gesetzliche Antrittsalter an die Entwicklung der gestiegenen Lebenserwartung knüpfen müssen. Geschehen solle das mittels Formel im Gesetz, nicht durch einen „herzlosen Computer“. Auch müsse man die Harmonisierung der Pensionssysteme noch schneller vorantreiben und die letzten Schlupflöcher der abschlagsfreien Frühpensionen schließen.
Nicht genug passiert nach Meinung der ÖVP-Senioren auch im Gesundheitsbereich. Die wahlkämpfende Obfrau des Wiener Seniorenbundes, Ingrid Korosec, verlangte etwa eine Überarbeitung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Erstversorgungszentren („Primary Health Care Center“) und Gruppenpraxen. Dass es lediglich ein Pilotprojekt in Wien gebe, „kann‘s nicht sein“. Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) müsse hier mehr Druck machen, forderte sie. Die Hausarzt-Verträge müssten neu verhandelt werden: Beratung und Vorsorge gehörten in den Vordergrund, die Öffnungszeiten massiv ausgeweitet.
Weiters immer noch auf Korosecs Wunschliste steht eine dauerhafte rechtliche Fixierung des Pflegefonds, der aus allgemeinen Steuermitteln, etwa bestehenden Vermögenszuwachssteuern, finanziert werden soll. „Das Geld versickert in verfilzten Strukturen“, statt bei den Pflegebedürftigen und Angehörigen anzukommen, meinte sie.