Jihadismus - Kremser Prozess gegen 30-Jährigen vor Urteil
Krems (APA) - Im Kremser Prozess gegen einen mutmaßlichen Jihadisten hat die Richterin am Dienstagabend sämtliche Beweisanträge der Verteidi...
Krems (APA) - Im Kremser Prozess gegen einen mutmaßlichen Jihadisten hat die Richterin am Dienstagabend sämtliche Beweisanträge der Verteidigung abgewiesen. Damit stand das im Jänner begonnene Verfahren um Beteiligung an der Terrormiliz IS (Islamischer Staat) am dritten Verhandlungstag vor dem Urteil. Die Schöffen nahmen gegen 22.15 Uhr die Beratung auf. „Ich bin kein Terrorist“, beteuerte der Angeklagte.
Der Anwalt hatte mehrere Beweisanträge gestellt, u.a. auf Beischaffung der Protokolle der Befragungen der anderen Tschetschenen, die mit seinem Mandanten in Syrien gewesen waren. Außerdem wollte er einen Experten für Länderkunde hören zum Beweis dafür, dass die Gruppierung Ansar al-Sham, bei der sich der Angeklagte 2013 aufgehalten hatte, keine terroristische Vereinigung darstellte.
Die Staatsanwältin, die sich in ihrem Schlussvortrag aufgrund der herrschende Hitze kurz fassen wollte, verwies auf diverse belastende Aussagen sowie darauf, dass vieles nicht nachvollziehbar bzw. widersprüchlich sei. Aber keiner der Begleiter des Angeklagten habe sich wie er per SMS als Gotteskrieger dargestellt. Die Staatsanwältin sah dessen erhaltene Kampfausbildung als erwiesen an, zudem informierte er sich im Internet über Abhöranlagen etc. Die Tatbestände seien erfüllt, sein Handy habe nur er selbst benutzt. Dass er - wie die Verteidigungslinie gelautet hatte - zu schlecht sehe, um das alles machen zu können, sei ebenfalls nicht glaubhaft, meinte die Anklägerin. Unter Hinweis auf die offenbar beabsichtigte Rückkehr des Tschetschenen nach Syrien forderte sie eine strenge Strafe.
Verteidiger Wolfgang Blaschitz sah in seinem Mandanten eine Karikatur eines Terroristen, der in Wirklichkeit keiner sei - körperlich beeinträchtigt, ein „schmal‘picktes Mandl“, das sehr schlecht sehe. Das Handy sei heute der erweiterte Kopf - früher hieß es, Gedanken seien zollfrei, selbige abzuspeichern sollte man sich heutzutage gut überlegen. Meinungs- und Religionsfreiheit sei aber ein Recht.
2013 habe es den IS allenfalls im Irak gegeben, aber nicht im syrisch-türkischen Grenzgebiet. Die politische Lage in Syrien sei keineswegs eindeutig gewesen. Von der Anklage bleibe aus seiner Sicht nicht viel über, sah Blaschitz Gründe für einen Freispruch. Ansar al-Sham befinde sich nicht auf der Terrorismusliste des amerikanischen Außenministeriums oder der Vereinten Nationen. Der Anwalt verwies vielmehr darauf, dass die syrische Opposition damals von westlicher Seite hofiert wurde.
Eine Kampfausbildung seines Mandanten sei keineswegs gesichert, meinte Blaschitz. Ebenso habe der 30-Jährige nicht an Kampfhandlungen teilgenommen, die es dort damals nicht gegeben habe. Dass er sich später gegenüber Frauen a la Mujahedin dargestellt habe, sei lediglich Angeberei gewesen. Der „Gotteskrieger“ habe jedoch seine Zeit in Heidenreichstein im Waldviertel verbracht und war bei diversen Chatgruppen dabei. Insofern sei man auf die Vielzahl an Dateien gekommen. Auch beim - gelöschten - Porno-Material sah Blaschitz Gründe für einen Freispruch.
Zuvor war - nach stundenlangen Videokonferenzen mit Zeugen - noch eine Beamtin befragt worden, die das auf den elektronischen Geräten des Angeklagten gesicherte Material geprüft hatte. Dem 30-Jährigen, der sich seit Jänner wegen Mitgliedschaft bei der Terrormiliz IS verantworten musste, wurde zudem Besitz pornografischen Materials vorgeworfen.
Es waren unzählige Bilder vorhanden, unter anderem, wenn auch gelöscht, diverse Selfies aus Syrien. Gelöscht waren weiters die Porno-Dateien. Der russische Staatsbürger habe sich im Internet u.a. über Abhörsysteme und Überwachungskameras sowie „Wanzen“ informiert, aber auch nach Fernzündern gesucht, zählte die Zeugin auf. „Time for the big bang“ war eines der den Schöffen vorgeführten Videos betitelt. Blaschitz verwies weiters darauf, dass Videos wie die gezeigten etwa auf Youtube zu finden seien.