Budapest - Die Flüchtlingshelfer vom Bahnhof

Budapest (APA) - Westbahnhof in Budapest. Flüchtlinge überall vor dem Gebäude. Auf Treppen, Bänken, in den Nischen der großen Tore. Junge Mä...

Budapest (APA) - Westbahnhof in Budapest. Flüchtlinge überall vor dem Gebäude. Auf Treppen, Bänken, in den Nischen der großen Tore. Junge Männer, Frauen, Babies. Sie alle suchen Schatten bei den 40 Grad Hitze. Helfer bringen Mineralwasser, Sandwiches, Obst. Sie alle sind Freiwillige, die durch Zsuzsanna Bozo auf den Weg gebracht wurden.

Die 40-jährige Bozo ist Inhaberin eines schottischen Pubs mitten im Herzen von Budapest. Eine Unternehmerin mit Verantwortung und Solidarität, der das Schicksal der Migranten nicht gleichgültig ist. „Vor gut zwei Wochen war ich am Westbahnhof. Sah, die Flüchtlinge, sah wie eine Mutter mit zwei winzigen kleinen Kindern auf der Erde schlief. Da beschloss ich, mit meinen Mitteln zu helfen. Ich hörte von der Hilfsorganisation Migration Aid und schloss mich an.“ Seitdem versorgt Zsuzsanna mit ihren freiwilligen Helfern die Flüchtlinge an den drei großen Budapester Bahnhöfen. Sie räumte einen Teil des Lagers ihres Restaurants „The Caledonia“, in dem sich nun Spenden der Bevölkerung stapeln. Diese bringt sie auch auf den Weg in die Flüchtlingslager des Landes. „Wir haben heute 6000 Windeln verschickt, weiters Babykleidung, Kinderwagen, Seife, Schuhe.“ Die Solidarität der Budapester sei groß, nicht jedoch die der Stadtväter, erklärt Zsuzsanna. „In Szeged hilft der Bürgermeister, wo er nur kann, hier in der Hauptstadt können wir davon nur träumen.“

Die Flüchtlinge am Westbahnhof kommen aus der südungarischen Stadt Szeged, der ersten Stadt nach der ungarisch-serbischen Grenze, die die meisten Migranten illegal passiert haben. Nach der Registrierung werden die Menschen in die Hauptstadt losgeschickt, wo sie den Weg zu dem Zug, der sie in das für sie vorgeschriebene Aufnahmelager bringt, finden müssen. „Die Flüchtlinge treffen am Westbahnhof ein, haben keine Ahnung, wie sie den nächsten Bahnhof erreichen können. Denn der in ungarischer Sprache verteilte Wegweiser ist nutzlos, da ihn keiner versteht“, kritisiert Zuzsanna. Es sind die freiwilligen Helfer, die die Migranten am Bahnhof empfangen und in Gruppen mit der U-Bahn zum entsprechenden Bahnhof bringen. Und ist der Zug weg, übernachten Hunderte Flüchtlinge auf den Bahnhöfen, auf nackter Erde.

Kati Bukucs gehört zu den Freiwilligen, die diesen Menschen nachts helfen, mit Essen, Trinken, einem guten Wort. „Die Menschen sind zumeist völlig erschöpft. Sie haben wochenlange Fußmärsche hinter sich, irren dann hier in Ungarn herum.“ Die Flüchtlinge seien friedlich. Streit habe sie nur einmal erlebt, als es um den letzten Teller warmes Essen ging. Kati erzählt von einem kleinem Mädchen aus Syrien mit einer Granatsplitter-Verletzung, dem geholfen werden konnte, durch den Einsatz freiwilliger Ärzte. Sie erzählt von afghanischen jungen Männern, die Kontakt suchen zur afghanischen Gemeinschaft in Deutschland. „Alle wollen weiter, hier in Ungarn will kaum einer bleiben“, erzählt die Helferin.

Bis zu 500 Flüchtlinge träfen täglich am Budapester Westbahnhof ein. In der Hauptstadt lebende afghanische und syrische Jugendliche würden bei der Verständigung helfen, ebenso türkische Restaurants bei der Versorgung.

Auf der kleinen Terrasse vor dem Pub „The Caledonia“ beobachten die Gäste das Kommen und Gehen. Sehen Kartons, große Taschen, Kisten, die von Budapestern abgegeben werden. „Decken und Kopfpolster sind vor allem gefragt, da die Flüchtlinge zumeist auf der Erde schlafen müssen. Sie sind sehr scheu, sprechen kaum von ihrem Schicksal, lassen sich nicht gerne fotografieren, haben Angst vor der Öffentlichkeit, da ihre daheimgebliebenen Familien deswegen verfolgt werden könnten“, erinnert Kati.

Pub-Besitzerin Bozo zeigt ihr Kellerlager. Hier türmen sich Kleidung, Schuhe, Spielzeug, Pakete mit Mittel zur Körperpflege. Eine große Lieferung ging gerade an das Flüchtlingslager nach Vamosszabadi bei Györ, in dem 700 Flüchtlinge untergebracht sind, darunter 200 Kinder unter fünf Jahren. Im Jugendaufnahmelager Fot nördlich von Budapest gab es früher bis zu 400 Kinder auf nur 40 Plätzen. Heute sind es zum Glück nur noch 120, berichtet Zsuzsanna. Sie erzählt auch von der 15-jährigen Nehiba aus Somalia, die vor zwei Jahren allein in Ungarn ankam, im Lager Fot lebt und inzwischen bei der Versorgung der Flüchtlinge hilft.

Bewohner des Hauses in der Mozsar-Straße beschweren sich teils über das Kommen und Gehen, andere wiederum zeigen Solidarität mit Bozo und ihrer Hilfsbereitschaft.