ImPulsTanz - Exotismen aufbrechen: Choy Ka Fai im Weltmuseum Wien

Wien (APA) - Wo das Weltmuseum Wien im Vorjahr mit ethnologischen Objekten noch die Weltreise von Franz Ferdinand nachzeichnete, richtet die...

Wien (APA) - Wo das Weltmuseum Wien im Vorjahr mit ethnologischen Objekten noch die Weltreise von Franz Ferdinand nachzeichnete, richtet dieser Tage Choy Ka Fai „SoftMachine“, sein Archiv zeitgenössischen asiatischen Tanzes, ein. „Auch ich war auf einer Expedition, Information und Wissen zu sammeln“, sagt der Singapurer Künstler, der im Rahmen von ImPulsTanz ab Sonntag das geschlossene Museum bespielt.

Zwei Jahre lang hat Choy Ka Fai seinen Heimatkontinent bereist, hat sich in 13 Städten in Japan, China, Indonesien, Indien und Singapur mit Tanzschaffenden über ihre Einflüsse und Praktiken unterhalten und so eine 88 Videos umfassende Landkarte zeitgenössischen Tanzes geschaffen. In Wien ist sein Projekt in Form einer Videoinstallation erstmals in seiner Gesamtheit zu sehen, und wird von stellvertretenden „Doku-Performances“ mit Künstlern aus Japan, Indien und Indonesien sowie zwei Performances der Kontaktimprovisationsgruppe contact Gonzo begleitet. Ergänzt wird die Schau, die sich über vier Räume erstreckt, mit vereinzelten Fotografien aus den Weltmuseums-Beständen.

Den Anstoß zur Spurensuche gab ein kuratiertes Programm der Londoner Tanzinstitution Sadler‘s Wells im Jahr 2011, betitelt mit „Out of Asia - The future of contemporary dance“. „Der Promo-Clip dazu hat mich gleichermaßen interessiert und verstört“, erzählt Choy Ka Fai im APA-Interview. „Eingeladen waren gute, große Produktionen, die bestimmt Besucher ins Theater locken, von denen aber die Hälfte eigentlich europäische Künstler mit asiatischen Wurzeln waren.“ Als asiatischer Künstler habe er sich gefragt, „wie sie dazu kommen, zu behaupten, sie wüssten, was ‚aus Asien kommt‘?“ Er nutze den „problematischen Begriff ‚Asien‘“ bewusst, „immerhin besteht Asien aus 48 Ländern, und ich habe selbst gerade mal fünf bereist“. Seine Recherche sei weder wissenschaftlich noch methodisch, „sondern intuitiv“. „Ich nenne es: ‚documentary dance‘.“

Vonseiten des Westens sei der asiatische Tanz noch immer mit Exotismen behaftet, sagt Choy Ka Fai. „Es gibt eine gewisse Ästhetik, eine Virtuosität, die Menschen gerne sehen möchten“, meint er etwa in Bezug auf die weltweit bekannte taiwanesische Compagnie Cloud Gate Dance Theatre, die klassisches chinesisches Repertoire tanzt und auch unter chinesischen Tanzschaffenden große Anerkennung genießt. „Es hat seine Berechtigung, wenn ein Künstler rein an Schönheit und Bewegung interessiert ist, aber mir ist das zu wenig und oft zu langweilig. Ich will wissen, was dahinter ist, will Fragen stellen.“

Sujata Goel, die im klassischen indischen Tanzstil Bharatanatyam ebenso wie im zeitgenössischen Tanz ausgebildet ist, erzählt in ihrem Interview etwa, dass man selbst während ihrer Zeit bei P.A.R.T.S. in Brüssel „etwas Indisches“ in ihrem Tanz sehen wollte. Choy Ka Fai spielt folglich mit dieser Zuschreibung, zerlegt Klischees, fragt seine indischen Interviewpartner nach „dem Indischen in ihrer choreografischen Arbeit“ und dreht mit Surjit Nongmeikapam ein ironisches Doku-Porträt, in dem er vorgibt, den unbekannten Choreografen aus Manipur „zum nächsten Akram Khan machen zu wollen“.

Im Rahmen der Ausstellung, die von 27. Juli bis 16. August jeweils im Anschluss an die Performances im Weltmuseum besucht werden kann, tritt Surjit Nongmeikapam ebenso im Museumsfoyer auf wie Rianto (Indonesien), der traditionellen erotischen indonesischen Tanz als Frau und Mann darbieten wird. „Ich finde es spannend, wie er vom weiblichen zum männlichen Vokabular wechselt, und zwischen traditionellem und zeitgenössischem Tanz changiert“, schwärmt Choy Ka Fai, der sich selbst nicht als Tänzer versteht. Für eine gemeinsame Performance mit der japanischen Gruppe contact Gonzo am 7. und 9. August jedoch macht er eine Ausnahme und wird Teil der Gruppe, deren Performance auf den ersten Blick wie eine Art Showkampf aussieht. „Was faszinierend ist: Wenn sie sich schlagen, ist kein Hass in den Augen zu erkennen“, so Choy Ka Fai. „Sie tun das alles unter dem Banner der Körperstudie.“

Noch sei die asiatische zeitgenössische Tanzszene sehr fragmentiert, müsse noch lernen, die im Vergleich zu Europa kurze Entwicklungsphase zu dokumentieren. Gemein hätten die regionalen Szenen die Faszination mit dem Körper. „In Europa geht die Entwicklung in den vergangenen zehn Jahren verstärkt in Richtung konzeptueller Choreografie wie jener von Jerome Bel“, so Choy Ka Fai, selbst „ein großer Fan“ von Bel. „Aber die Idee der Rückkehr zum eigenen Körper, der die Basis aller Experimente ist, fasziniert mich.“

„SoftMachine“ ist nicht zuletzt der zweite Teil einer Trilogie von Arbeiten, in denen sich der aktuell in Berlin lebende Choy Ka Fai als Kurator, Videokünstler und Performance-Macher intensiv mit dem Körper, oft in Verbindung mit Technologie, auseinandersetzt. Der Titel ist von William S. Burroughs‘ aus mehreren Romanen zusammengebastelten Roman „The Soft Machine“ (1961) inspiriert. So wie Choy Ka Fais aus vielen Elementen bestehendes Projekt sei auch der Körper eine „SoftMachine“: „Man nimmt all diese Einflüsse her und der Körper schafft daraus vielleicht nicht etwas Neuartiges, aber doch Eigenes.“

(Das Gespräch führte Angelika Prawda/APA)

(S E R V I C E - Trailer zu „SoftMachine“: https://vimeo.com/108572515, Termine unter www.impulstanz.com)