Sauerstoffmangel löscht Leben am Meeresboden rasch und anhaltend aus

Wien (APA) - Der Tod kommt für Meerestiere bei Sauerstoffmangel innerhalb von Stunden und Tagen. Bis das betroffene Gebiet wieder besiedelt ...

Wien (APA) - Der Tod kommt für Meerestiere bei Sauerstoffmangel innerhalb von Stunden und Tagen. Bis das betroffene Gebiet wieder besiedelt wird, dauert es aber Jahre, fand Michael Stachowitsch vom Department für Limnologie und Bio-Ozeanographie der Universität Wien heraus. Was in der Natur auf Quadratkilometer-großen Gebieten am Meeresboden passiert, hatte er auf kleinen Flächen im Mittelmeer nachgestellt.

„Vor allem im Sommer mischt sich das sehr warme Wasser an der Oberfläche nicht mit den kalten Schichten in der Tiefe, und es kommt kaum Sauerstoff zum Meeresboden nach“, sagte er im Gespräch mit der APA. Durch zusätzliche Überdüngung, also wenn zu viele Nährstoffe in das Meer gelangen, würde dort rasch Sauerstoffmangel entstehen, und die Tiere beginnen reihenweise zu sterben, erklärte Stachowitsch. Dadurch könnten ganze Meeresökosysteme großflächig zerstört werden, weltweit seien 500 solcher „Todeszonen“ bekannt, unter anderem in der Nordadria.

In einem vor kurzem abgeschlossenen, vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt hat er mit Kollegen die Auswirkungen einer Sauerstoffkrise auf die Meeresbewohner untersucht. Die Forscher setzten in der slowenischen Adria Plexiglas-Würfel von einem halben Meter Seitenlänge in 24 Metern Tiefe auf den Meeresboden. Zeitrafferkameras und Sauerstoffmessgeräte hielten die Geschehnisse in den Kammern fest, in denen das lebenswichtige Gas allmählich aufgebraucht wurde.

„Die Tiere, die im Meeresboden leben, das sind Würmer, manche Seeigeln und viele Muscheln, kamen an die Oberfläche, wo sie normalerweise ein bisschen mehr Sauerstoff erwarten können“, so Stachowitsch. Schlangensterne hoben ihre Körperscheiben an, indem sie mit hochgestellten Beinen umherstelzten. „Sie versuchen damit ihre Atemorgane in höhere Wasserschichten zu bringen, denn oft ist die Sauerstoffabnahme nur ganz unten so gravierend, dass es schon viel bringt, wenn die Tiere 20 Zentimeter höher kommen“, erklärte er. Auch die Schnecken krochen nach oben und sammelten sich an der Decke der Kammer. „Manche Tiere, die normalerweise nur am Boden herummarschieren, versuchten ins Wasser heraufzuschwimmen, aber die meisten sind dafür nicht gebaut“, so der Biologe.

Am empfindlichsten waren die kleinen Fische, die in der Kammer gefangen waren. Sie starben als erste, wie die Forscher dokumentierten. Als nächste erwischte es die Seesterne, auch Krebse und Garnelen zeigten sich sehr anfällig, berichtet Stachowitsch. Am resistentesten waren einige Wurmarten und Schnecken, doch auch sie raffte letztendlich der Sauerstoffmangel dahin.

„Diese Resultate untermauern, dass solche seichten Küstengebiete als empfindlich einzustufen sind und größere Anstrengungen unternommen werden müssen, um sicherzustellen, dass weitere Störungen wie schädliche Fischereimethoden nicht die Schäden erhöhen und die Erholungsphasen verlängern“, so die Forscher.

Denn obwohl sofort die ersten Nutznießer kamen, als die Forscher die Plexiglasboxen entfernten, nämlich Fische, Einsiedlerkrebse und Schnecken, die die toten Tiere wegfraßen, konnten sich die betroffenen Gebiete nicht so bald erholen. „Wir konnten keine Wiederbesiedlung der Bodenfauna feststellen - auch nicht nach zwei Jahren“, berichten sie.

„Der Tod kommt also schnell und geschieht innerhalb von Stunden und Tagen, aber die Wiederbesiedlung dauert Jahre“, sagte Stachowitsch. Neben der Überdüngung würden auch Schwermetalle, fallweise Radioaktivität und andere Schadstoffe die Tiere belasten. Zum Beispiel sei im Golf von Mexiko die Deepwater Horizon Ölkatastrophe am selben Ort passiert, wie eine große Sauerstoffkrise. „Für die Meeresökosysteme ist das wie in einem Boxkampf, wo man einmal einen Schlag von links kriegt, und gleich darauf auch noch einen Haken von rechts“, erklärte er.