Ludwig Rainer: Ein Leben in Echtliedzeit
Zwischen „Mei liabste Weis“ und „Musikantenstadl“: ein Stück über Ludwig Rainers Leben.
Uderns –Queen Victoria war der Auftritt der „Rainer Family“ einen Eintrag in ihr Tagebuch wert und auch Heinrich Heine, der die Tiroler im Allgemeinen für zu dumm hielt, „um krank werden zu können“, berichtete über ein Gastspiel in London. Freilich wenig schmeichelhaft: Die „schamlose Verschacherung des Verschämtesten“ erzürnte den Dichter. Seine Zeitgenossen waren hingegen verzückt von diesen Zillertaler Natursängern und ihrem laut Heine „naiven und frommen“ Gejodele. Die „Rainer Family“ bereiste die ganze Welt und machte Tiroler Volksmusik von den USA bis nach Russland populär, zumindest die zweite Generation unter der Leitung von Ludwig Rainer. Dessen Mutter hatte es mit ihren Geschwistern bereits quer durch Europa geschafft.
Heines spöttische Zeilen würden aber einem Auftritt der „Ur-Rainer“ gelten, betont der Sänger (gespielt von Roland Jäger) im Stück „Die Stillen Nächte des Ludwig Rainer“, das am Donnerstag in der Steudltenn in Uderns zur Uraufführung kam. Ein mitunter heiteres Singspiel beziehungsweise Musiktheater hat Autor und Regisseur Hakon Hirzenberger hier auf die Bühne gestellt. Der spannende Stoff, das rast- und ruhelose Leben des gewieften Geschäftsmannes, wird im Wechsel mit allzu vielen Volksliedern aber entschleunigt und teilweise regelrecht ausgebremst – was freilich nicht den stimmigen Live-Darbietungen anzulasten ist. Irgendwo zwischen „Mei liabste Weis“ und „Musikantenstadl“ wird hier die frühe Vermarktung von Musik und Musikanten verhandelt, aktuell brennende Copyright-Fragen waren damals hingegen wenig relevant. Das Salzburger Weihnachtslied „Stille Nacht“ wird dank der singenden „Family“ zum Tiroler Hit in den USA. Der gebürtige Fügener wurde auch als Urheber der Textzeilen „Christ, the Saviour is born“ gefeiert.
Neben diesen besinnlichen Klängen, die dank Rainer die Welt erobern sollten, dürften aber auch frivolere Lieder wie etwa „On the Alp no Sin is found“ („Auf der Alm, da gibt’s koa Sünd“) ihr Publikum gefunden haben. Die weitaus freizügigeren Dirndln (Kostüm: Andrea Bernd) nach der Pause legen nahe, dass die Botschaft – einmal um die Welt gereist – auch in der Heimat angekommen ist. Das harmonische Quartett (neben Roland Jäger: Andreas Haun, Caroline Mercedes und Juliana Haider), bei dem die Damen mehr an Farbe einbringen, agiert nach der Pause gelöster. Der Freiraum zwischen Fakten und Fiktion – ein charmanter Running Gag – kann hier mit mehr Spielfreude ausgefüllt werden.
Nach mehr als zwei Stunden Spielzeit gönnt man dem Nationalsänger schließlich seinen Abgang: „Ausgelitten, ausgerungen, viel gereist und viel gesungen“, ist auf seinem Grabstein zu lesen. (sire)