Innsbruck

Stadtsäle leben in Innsbrucks Wohnzimmern weiter

© Thomas Boehm / TT

Zum letzten Mal stand die Tür zu den Stadtsälen offen. Besucher haben in der Vergangenheit geschwelgt und Erinnerungen mitgenommen.

Von Denise Daum

Innsbruck –Ein alter Feuerwehrschlauch, eine dicke Rolle Krepppapier, eine verstaubte Metallskulptur, haufenweise Besteck und Geschirr – kaum zu glauben, was sich in den Innsbrucker Stadtsälen im Laufe der Jahrzehnte so angesammelt hat. Und kaum zu glauben, wie sehr sich manche Menschen über ebendiese Dinge freuen können. Zahlreiche Besucher nutzen am Donnerstag die Möglichkeit, ein letztes Mal durch die Räume der Innsbrucker Stadtsäle zu streifen und sich ein persönliches Erinnerungsstück mit nach Hause zu nehmen. Bevor das Gebäude im Herbst für das neue Haus der Musik abgerissen wird.

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„Na schau, was da für schiane Glasln stehn. Kann i de oan­fach so mitnehmen?“ – „Ja, gern. Zehn Stück pro Person“, erklärt die freundliche Mitarbeiterin der Stadt Innsbruck einer Besucherin im großen Saal im Erdgeschoß. Und schon wandern zehn Saftgläser in die Tasche einer älteren Dame.

Rund ein Dutzend Menschen schreitet den Saal ab, auf der Suche nach brauchbaren Gegenständen. Zwei koreanische Schwestern, die in Innsbruck leben, nehmen winzig kleine Silberschälchen mit, in die sie verschiedene Saucen füllen wollen. Burschen einer Studentenverbindung packen Bierkrüge für das nächste Fest ein. Ein Mann in seinen Vierzigern freut sich über eine erdige Schaufel – „so eine bekommst heut gar nicht mehr!“

Eine Frau steht gedankenverloren an die Wand gelehnt, der Blick gegen die Decke gerichtet, den Fotoapparat in der Hand. Viele kommen nicht nur wegen der zehn Gratis-Erinnerungsstücke, sondern um Abschied zu nehmen. „Jeder, der in Innsbruck aufgewachsen ist, hat einen Bezug zu den Stadtsälen“, sagt Lukas Morscher vom Innsbrucker Stadtarchiv, dessen Mitarbeiter die Aus-raus-Aktion kontrollieren. Auf die Frage, was sie denn mit den Stadtsälen verbindet, ruft eine ältere Dame, die sich als Margret vorstellt: „Ein ganzes Leben!“ Als Schülerin habe sie ein Konzertabo besessen, als junge Frau beim Alpenvereinsball getanzt, als Mutter die Matura ihrer Tochter gefeiert. Sogar ihren Lebensgefährten hat die Innsbruckerin hier kennen gelernt. „Meine Güte, ist das alles lange her“, sagt sie mit einem verträumten Lächeln im Gesicht. Die 71-Jährige nimmt eine Kuchenetagere mit nach Hause – ihr persönliches Stück Stadtsäle.

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In der so genannten Silberkammer im Dachgeschoß der Stadtsäle sind Hunderte Gläser, Teller, Besteckstücke, Schälchen und Vasen gebunkert. Mit einer Staubschicht, die sich seit den 70ern dort abgelagert hat. „Hier sind die Restbestände von Kaffeehäusern gelagert worden“, erklärt Morscher. Die Besucher lobt der Stadtarchivsleiter als sehr zivilisiert. „Wir dachten schon, das wird ein totales Chaos. Aber es läuft sehr geordnet ab. Es gibt nichts, was nicht jemand brauchen könnte.“ Auch Morscher hat die Stadtsäle nach Stücken, die er für das Stadtarchiv zu Dokumentationszwecken brauchen kann, durchkämmt. Und das tat er, bevor die Schwingtüren für die Öffentlichkeit letztmalig aufgingen.

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