„Beziehung lässt sich nicht in Minuten messen“
Lokalaugenschein im ISD-Wohnheim Reichenau: „Warm, satt und sauber“ ist nur ein Bruchteil der Arbeit, die die Altenpflegerinnen leisten.
Von Alexandra Plank
Innsbruck –Katharina Becke ist Leiterin des Wohnheims Reichenau. Was sie und ihre 78 Mitarbeiter für die Senioren tun möchten, bringt sie mit einer Geschichte auf den Punkt. „Eine alte Dame tat sich schwer, sich einzugewöhnen. Dann musste sie drei Wochen ins Krankenhaus. Bei ihrer Entlassung hat sie zur Schwester gesagt, sie freue sich schon sehr auf Zuhause und hat uns damit gemeint.“
Im engen Zusammenspiel mit Pflegedienstleiterin Renate Kirchler versucht Becke den Bewohnern so viel Freiheit wie vertretbar zu ermöglichen. Bei Vollbelegung werden 105 Personen versorgt, rund 25 Prozent haben die Diagnose „Demenz“. „Wenn man aber die Menschen mit beginnender Demenz dazurechnet, sind es bis zu 60 Prozent“, sagt Kirchler. Wenn Menschen desorientiert seien, bräuchten sie viel Betreuung, so Becke. Der durchschnittliche Bewohner im Wohnheim ist 85 Jahre alt.
Doch auch sonst sind die Menschen, die ins Heim kommen, pflegebedürftiger als früher. Der Minutenschlüssel, der vorgibt, wie lange eine Pflegeleistung dauern darf, beziehe sich derzeit nur auf die Basisversorgung, sagt das Führungsduo. Es wäre wünschenswert, wenn auch Komponenten wie Betreuung, Beschäftigung und Beziehungsarbeit berücksichtigt würden. Zudem werde bei der Einteilung in die Pflegestufen die psychische Verfassung viel zu wenig berücksichtigt. „Da wird darauf geschaut, ob jemand nicht mobil oder inkontinent ist. Eine Demenzerkrankung fällt im Vergleich dazu zu wenig ins Gewicht.“ Gerade die Betreuung von Dementen bringt das Personal mitunter an seine Grenzen. Es gibt die Möglichkeit, Menschen in speziellen Abteilungen für Demenzkranke zu betreuen, wie im Wohnheim Lohbach oder O-Dorf. Die Altenpflege sei ein anstrengender, aber schöner Beruf, sagt Kirchler. Und Becke: „Es kommt unheimlich viel von den Bewohnern zurück.“
Besonders gern greift die Leitung auf Personal zurück, das den Beruf im zweiten Bildungsweg erlernt hat. „Das sind sehr motivierte Mitarbeiter“, so Becke. Die körperliche und psychische Belastung für die Pfleger sei erheblich, Schulungen sollen dazu beitragen, dass etwa der Bewegungsapparat geschont wird. Auch im Umgang mit den Angehörigen ist Feingefühl gefragt. „Die Erfüllung der Grundbedürfnisse wird vorausgesetzt. Am wichtigsten ist aber die gute Beziehung der Pfleger zu den Bewohnern und die lässt sich einfach nicht in Minuten messen“, so Becke.