Tauziehen um französischen Wachkoma-Patienten Lambert geht weiter
Reims (APA/AFP) - Das juristische Tauziehen um den französischen Wachkoma-Patienten Vincent Lambert geht in eine neue Runde. Die behandelnde...
Reims (APA/AFP) - Das juristische Tauziehen um den französischen Wachkoma-Patienten Vincent Lambert geht in eine neue Runde. Die behandelnden Ärzte im Universitätskrankenhaus der ostfranzösischen Stadt Reims lehnten es am Donnerstag überraschend ab, über ein Abschalten der lebenserhaltenden Geräte zu entscheiden.
Stattdessen wollen sie zunächst einen rechtlichen Vertreter für den 38-Jährigen festlegen lassen, wie dessen Familie nach einer Unterrichtung durch die Mediziner mitteilte. Der Fall bewegt Frankreich schon seit Jahren - nicht zuletzt weil die Familie des Schwerstbehinderten zutiefst zerstritten ist und sich vor Gerichten und in Medien öffentlich bekriegt. Lambert hatte 2008 bei einen Motorradunfall schwere Kopfverletzungen erlitten. Er liegt seither querschnittsgelähmt in einer Art Wachkoma, die Ärzte bezeichnen seinen Zustand als vegetativ.
Lamberts Eltern, strenggläubige Katholiken, und zwei ihrer Kinder fordern eine Fortsetzung der künstlichen Ernährung. Sie haben im Juli Klage gegen die behandelnden Ärzte wegen „versuchten Mordes und Freiheitsberaubung“ eingereicht.
Lamberts Frau und die meisten seiner Geschwister dagegen wollen, dass die Ärzte ihn angesichts seiner Lage sterben lassen. Sie argumentieren, dies wäre auch sein Wunsch. Ihr Mann habe für sich nie eine künstliche Lebensverlängerung um jeden Preis gewünscht versicherte seine Frau Rachel wiederholt. Ähnlich äußerten sich auch einige Kollegen des ehemaligen Krankenpflegers, die mit ihm in der Ausbildung waren. Eine schriftliche Patientenverfügung hat der Franzose nicht hinterlassen.
Die Uni-Klinik Reims teilte am Donnerstag mit, das vor einer Woche eingeleitete Verfahren für einen kollegialen Beschluss zum weiteren Vorgehen sei ausgesetzt worden. Dazu gebe es derzeit nicht die notwendigen „Voraussetzungen der Ruhe und Sicherheit“. Berichten französischer Medien zufolge haben entschiedene Gegner der passiven Sterbehilfe in sozialen Netzwerken zu drastischen Aktionen aufgerufen - etwa zur Entführung Lamberts oder der Ärzte. Nun soll die Staatsanwaltschaft einen rechtlichen Vertreter für Lambert bestimmen.
Lamberts Ehefrau zeigte sich enttäuscht von der Entscheidung der Ärzte. „Ich dachte, dass Vincent endlich respektiert würde“, sagte sie in Reims. „Das ist nicht der Fall und ich weiß nicht einmal, ob ich noch Hoffnung haben kann, dass er eines Tages erhört wird.“
Anfang Juni hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Einstellung der künstlichen Ernährung und damit passive Sterbehilfe für den 38-Jährigen genehmigt. Die Straßburger Richter bestätigten damit eine Entscheidung des höchsten französischen Verwaltungsgerichts vom Sommer 2014. Unterrichteten Kreisen zufolge haben jüngste Untersuchungen bestätigt, dass die Kopfverletzungen irreversibel sind.
Die französische Gesundheitsministerin Marisol Touraine sicherte den behandelten Ärzten ihre „volle Unterstützung“ zu. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sprach von einem „traurigen Lehrbeispiel“. Ohne Patientenverfügung könne es leicht zu Konflikten unten den Angehörigen wie mit den Ärzten kommen. In Deutschland habe nur jeder Dritte seine Wünsche per Patientenverfügung geregelt.