ORF-“Sommergespräche“: Mit Bürger zurück zum klassischen Interview 1
Wien (APA) - Aktuelle tagespolitische Themen, die Werthaltungen der Parteichefs, ihre engsten Berater-Teams und die Welt und Österreich im J...
Wien (APA) - Aktuelle tagespolitische Themen, die Werthaltungen der Parteichefs, ihre engsten Berater-Teams und die Welt und Österreich im Jahr 2030 stehen ab Montag im Fokus der diesjährigen ORF-“Sommergespräche“. Mit Fernseh-Innenpolitikchef Hans Bürger kehrt das Format zum klassischen Interview zurück.
Geführt werden die traditionellen „Sommergespräche“ heuer im obersten Stockwerk des Wiener Ringturms. Sendetermin ist immer montags um 21.05 Uhr auf ORF 2. Den Auftakt machen die NEOS (27.7.), gefolgt vom Team Stronach (3.8.), Grünen (10.8.), FPÖ (17.8.), ÖVP (24.8.) und SPÖ (31.8.). Im APA-Interview erklärt Bürger das heurige Konzept der ORF-Interviewreihe und spricht über seinen „Traumjob“ im ORF.
APA: Von den „Sommergesprächen“ 2014 blieb die „Wut-Oma“. Was wird von den „Sommergesprächen“ 2015 bleiben?
Bürger: Ich glaube, dass von den „Sommergesprächen“ 2014 schon mehr übrig geblieben ist als die „Wut-Oma“. Die „Wut-Oma“ ist ja nur ein Symbol für eine große Unzufriedenheit in der Bevölkerung, und da wurde eine herausgegriffen, die dann von einer Zeitung prominent gemacht wurde. Ich glaube von 2014 ist einfach das Format in Erinnerung geblieben: man befragt kreuz und quer durchs Land die Leute, wie es ihnen geht und wie sie mit der Politik zufrieden oder unzufrieden sind. Und das hat Peter Resetarits sehr gut gemacht.
APA: Heuer gibt es ein völlig anderes Konzept ...
Bürger: Es geht wieder eher ins traditionelle Gespräch zurück. Ich möchte mit einem Politiker reden und nach diesem Interview deutlich mehr über ihn und sein Parteiprogramm wissen als vorher. Der Wunsch ist, dass dabei journalistisch etwas herauskommt, was einige Tage hält. Dazu hat die Redaktion seit Wochen recherchiert, wo es uns vielleicht auch gelingt, den einen oder anderen Politiker auch ein bisschen zu überraschen.
APA: Die „Sommergespräche“ gibt es seit 1981. An welche Gesprächssituation können Sie sich noch erinnern?
Bürger: Vor allem an den berühmten Sager von Ex-FPÖ-Chef Jörg Haider, dass Österreich als Nation eine „ideologische Missgeburt“ ist. Ich war 19 als die „Sommergespräche“ gestartet sind und habe die Sendung immer aufmerksam verfolgt. Und man merkt sich schon auch, wo ein „Sommergespräch“ stattgefunden hat. Der Haider-Sager fiel auf einer Wiese. Ein Gespräch fand in der Badehose statt und man erinnert sich an das Glockengeläute. Es ist offensichtlich nicht egal, wo die „Sommergespräche“ stattfinden. Heuer ist es der Ringturm. Warum: Am Ringturm ist man ganz oben und man hat eine Helikopter-Sicht. Wir wollen dort auch ein bisschen über den inhaltlichen Tellerrand und über den zeitlichen Horizont drüber schauen, der innenpolitische Journalisten normalerweise beschäftigt.
APA: Im Zusammenhang mit den „Sommergesprächen“ hörte man zuletzt oft die Frage: Wird der Bürger das auch so gut machen wie der Wolf?
Bürger: Es gibt immer diesen Vergleich von Armin Wolf mit allen anderen. Für mich ist das nicht so wichtig. Wenn man sich die vergangenen 34 Jahre anschaut, waren da Größen wie Johannes Fischer, Peter Rabl, Robert Hochner oder Rudolf Nagiller und Helmut Brandstätter dabei. Aber für mich sind solche Vergleiche irrelevant, ich hatte in meinem Leben auch nie ein journalistisches Idol. Und ich wurde im ORF in Vorbereitung auf die „Sommergespräche“ dazu ermutigt, mich an niemandem zu orientieren - egal was die Leute sagen. Das sind die „Sommergespräche“ des Hans Bürger.
APA: Wie werden Sie es anlegen: hartes Interview oder leichtfüßiges Gespräch über Gott und die politische Welt?
Bürger: Es hätte ursprünglich mehr in Richtung Zukunft und philosophische Gedanken gehen können und sollen. Da hat uns aber die Gegenwart eingeholt. Wir werden alles fragen, was die Leute heute, hier und jetzt bewegt. Wir hatten einen unglaublichen Juli: Griechenland, Flüchtlingswellen, Terror und ein bevorstehender Wahlherbst. Das heißt, ein „Sommergespräch“ kann gar nicht mehr nur philosophisch sein. Das ist unmöglich. Das einzige was man machen kann: einen Teil der Zeit für Gedanken reservieren, die über einen gewissen zeitlichen Horizont hinaus gehen.
APA: Politische Interviews haben in den vergangenen Jahren etwas an Spannung verloren. Man erfährt wenig, die Politiker sind gecoacht, geben eintrainierte Antworten und wollen Interviews einfach gut überstehen, so die Kritik ...
Bürger: Ich seh das nicht so. Ich glaube, dass wir im Journalismus eher ein Beschleunigungsproblem haben. Ich finde, dass wir Dinge zu schnell hinausposaunen, ohne sie ausreichend zu hinterfragen. Der Journalismus im Großen und Ganzen geht wahnsinnig sorglos mit Informationen um. Vor einigen Monaten wurde auf Twitter ein Atomunfall in der Ukraine aufgeregt verbreitet. Kurze Zeit später hat sich rausgestellt, dass mehr oder weniger nur eine Schraube locker war. Wäre Twitter ein Medium mit großer Verbreitung, hätte das eine Massenpanik verursachen können. Bei einem längeren Gespräch sind solche Entwicklungen nicht möglich. Hier können die Dinge hinterfragt werden. Und bei einem 50-Minuten-Interview müsste jemand 1.000 eingelernte Phrasen parat haben, um Antworten in verschiedenen Varianten geben zu können. Ich halte von einem einstündigen Gespräch sehr viel. Manchmal denke ich mir, dass die Stunde zu wenig ist, und vielleicht wäre es sogar mal ein spannendes Projekt, ein Open-End-Gespräch zu führen. Unter dem Motto: Jetzt red ma amoi drauf los. Ich glaube, dass ein ganz langes Interview Dinge zutage treten lassen könnte, auf die man noch nicht gekommen ist.
~ WEB http://orf.at ~ APA058 2015-07-24/08:33