ORF-“Sommergespräche“ 2 - „Am liebsten bleibe ich, was ich bin“

Wien (APA) - APA: Im Trailer zu den Sommergesprächen heißt es: „Keine Frage ohne Antwort.“ Was tun Sie, wenn es zwar Antworten gibt, aber ni...

Wien (APA) - APA: Im Trailer zu den Sommergesprächen heißt es: „Keine Frage ohne Antwort.“ Was tun Sie, wenn es zwar Antworten gibt, aber nicht auf Ihre Fragen?

Bürger: Damit rechne ich. Es ist leider üblich geworden, dass die direkte Frage oft nicht beantwortet wird. Ich habe mir angeschaut, wie oft Politiker am Beginn einer Antwort sagen, „Darum geht‘s nicht“. Da werde ich einfach sagen, „Darum geht‘s schon“. Es ist interessant: es gibt wirkliche „Darum geht‘s nicht“-Politiker. Die gab es auch in den 90er-Jahren schon. Das kann man in einem 6-Minuten-Interview schwer stoppen, aber in einem langen Gespräch ist es eher möglich nachzufragen. Ich stelle auch fest, dass die Zuschauer dieses „Darum geht‘s nicht“ zunehmend unsympathischer finden. Ich werde oft angesprochen und gefragt, wie halten sie das aus, wenn jemand nicht antwortet. Während früher der Politiker gemeint hat, er kann dieser Frage relativ geschickt ausweichen, wird ihm das jetzt zum Nachteil. Das kann eine unglaubliche Retourkutsche werden.

APA: Bei manchen Journalisten hat man den Eindruck, dass es ihnen weniger um ein interessantes Gespräch geht, sondern darum, Politiker zu „grillen“ und die eigene Fragefertigkeit unter Beweis zu stellen ...

Bürger: Ja eh ...

APA: Man sagt Ihnen nach, dass Sie kein „Griller“ sind. Zu freundlich in der Tonalität, etwa in Ihrer jüngsten „Pressestunde“ mit dem Bundeskanzler ...

Bürger: Da muss ich etwas ausholen, weil mich das ärgert. Ich werde immer wieder auf diese „Pressestunde“ angesprochen, und wenn ich dann frage, wer hat sich beschwert, dann höre ich, drei oder vier Leute auf Twitter. Gut, wenn sich drei, vier Leute auf Twitter beschweren, halte ich das aus. Die Leute verwechseln immer wieder den Ton mit dem Inhalt. Mein Lieblingsbeispiel: Es gab eine Pressestunden, in der ich Jörg Haider gefragt habe, „sind Sie nicht eigentlich ein Trottel“. Er hat mich vollkommen entsetzt angeschaut, wollte damals sogar aufstehen und gehen. Ich habe ihm vorgelesen, „ich wäre doch ein Trottel, wenn ich die Arbeit der Susi Riess-Passer aus dem Süden stören würde“, und ihm erklärt, „das haben Sie gesagt, und was Sie seit einigen Monaten machen, ist genau das“. Haider hat sich wieder beruhigt und irgendwie sogar zugegeben, nicht dass er ein Trottel ist, aber dass man das so verkürzen könnte. Ich habe Politiker Dinge gefragt, die andere gar nicht fragen würden, aber halt in einem wirklich freundlichen Ton. Ich bin nie der gewesen, der einem Politiker am Beginn eines Interviews aggressiv voll ins Gesicht fährt. Damit ist jedes Gespräch kaputt, davon halte ich nichts.

APA: In den Sommergesprächen 2015 wollen Sie mit den Politikern auch über Die Welt und Österreich 2030 reden. Wie sinnvoll ist das? Beim Bundeskanzler weiß man ja zum Beispiel nicht einmal, ob es ihn nach den Landtagswahlen im Herbst noch geben wird ...

Bürger: Aber genau deshalb halte ich es für sinnvoll. Wir wollen ja auch erläutern, wie unsere Politiker ticken. Denken sie nur bis zum nächsten Wahltag oder auch ein bisschen darüber hinaus. Sind sie überhaupt bereit Gestaltungswillen zu übernehmen, und waren sie es, als sie sich entschieden haben, in die Politik zu gehen. Haben sie gedacht, ich will in dem Land etwas gestalten, oder haben sie sich gedacht, ich will gewählt werden. Das ist ein Riesenunterschied. Haben wir in diesem Land noch Politiker, die sich überlegen, in welchem Land unsere Enkel eigentlich leben sollen. Ich glaube, es ist sehr wichtig, wie wir 2030 leben.

APA: Wann sind die Sommergespräche für Sie gelungen?

Bürger: Wenn etwas bleibt - vielleicht sogar ein bisschen mehr als die „Wut-Oma“. Wenn von den Sommergesprächen einige tagespolitische Themen übrig bleiben, die vielleicht sogar in den Wahlkampf hineinreichen. Dann wären sie aus meiner Sicht journalistisch gelungen. Und natürlich kann man auch an den Seherzahlen nicht vorbei gehen. Wenn relativ viele Leute zuschauen, würde ich sie auch als gelungen sehen.

APA: Nächstes Jahr wird die ORF-Führung neu gewählt. Sie wurden zuletzt in Medien als möglicher Informationsdirektor oder als oberösterreichischer Landesdirektor gehandelt, falls der dort amtierende Landeschef nach Wien wechselt ...

Bürger: Mittlerweile amüsiert mich das. Es gibt offenbar einen großen Wunsch im österreichischen Journalismus dem Hans Bürger einen Veränderungswunsch nachzusagen. Aber es ist seit 1998 falsch. Damals wurde zum ersten Mal geschrieben, ich werde Chefredakteur - zuerst im Landesstudio Oberösterreich, dann in Wien, dann hat es geheißen ich werde Landesdirektor, übrigens schon dreimal, seit einiger Zeit ist wieder von Chefredakteur und Informationsdirektor die Rede. Ich mache im wesentlichen seit 17 Jahren das gleiche, und ich muss das jetzt an den Medienjournalismus in diesem Land zurückgeben: Seit 17 Jahren stimmen diese Berichte nicht. Ich bin aber nicht das einzige Opfer im ORF. Es gibt sogar Parade-Opfer in diesem Haus, die immer wieder für bestimmte Jobs genannt werden, was ja nichts Unanständiges ist. Ich glaube, es gibt wenig Führungskräfte in diesem Haus, die mit dem, was sie machen, so vollauf zufrieden sind. Ich habe einen Traumjob und zwar deshalb, weil der das Spielertrainer-Dasein ermöglicht. Wenn etwas Großes passiert, kann ich selbst Live-Reporter sein, für eine Analyse im Studio sitzen, vom EU-Gipfel in Brüssel oder einem Ministerrat berichten. Das sind alles Möglichkeiten, die in der nächsthöheren Funktion de facto weg sind. Darum fasziniert mich der Job des Innenpolitik- und EU-Ressortleiters so. Am liebsten bleibe ich das, was ich bin, und das ist wirklich so.

(Das Interview führte Johannes Bruckenberger/APA)

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