ORF-“Sommergespräche“: Von der „Missgeburt“ bis zur „Wut-Oma“

Wien (APA) - 1981 erstmals ausgestrahlt, zählen die ORF-“Sommergespräche“ mit den Vorsitzenden der Parlamentsparteien inzwischen zum journal...

Wien (APA) - 1981 erstmals ausgestrahlt, zählen die ORF-“Sommergespräche“ mit den Vorsitzenden der Parlamentsparteien inzwischen zum journalistischen Sommerritual: Für die einen innenpolitisches Hochamt, für die anderen eine Art „Untersuchungsausschuss“. 2015 kehrt der ORF mit Moderator Hans Bürger zum klassischen Interview-Format zurück.

Hier Parteichef, dort Journalist - so starteten die „Sommergespräche“ auch vor 34 Jahren im Rahmen der Sendung „Politik am Freitag“, um das Sommerloch mit politischem Diskussionsstoff zu füllen. Und gleich das erste Gespräch, das der legendäre ORF-Journalist und spätere „profil“- und „Kurier“-Chefredakteur Peter Rabl mit Norbert Steger führte, sorgte für Furore. Rabl führte den Schluss des Interviews mit dem damaligen FPÖ-Chef wegen der drückenden Hitze stehend im Pool. Das Bild der beiden Herren in Badehosen machte Fernsehgeschichte.

Mehr als 20 Moderatoren leiteten seither den Polit-Talk, darunter journalistische Größen wie Rabl, Rudolf Nagiller, Johannes Fischer, Helmut Brandstätter, Elmar Oberhauser, Robert Hochner, Ingrid Thurnher, Gabi Waldner oder Armin Wolf. Neben den verschiedenen Locations sorgten dabei auch die politischen Aussagen immer wieder für Diskussionen. In bleibender Erinnerung ist etwa das „Sommergespräch“ von Johannes Fischer mit FPÖ-Chef Jörg Haider aus dem August 1988. Auf einer Kärntner Alm als Kulisse entlockte Fischer dem aufstrebenden FPÖ-Chef den Sager von der österreichischen Nation als „ideologische Missgeburt“. Die Passage fand Eingang in den „ewigen“ Zitatenschatz der Zweiten Republik.

Über all die Jahre hat der ORF an den „Sommergesprächen“ immer wieder herumexperimentiert und regelmäßig versucht, das Format neu zu erfinden: Live, aufgezeichnet. Im Freien, im Studio. Mit Publikum, ohne Publikum. Mit einem Interviewer, mit mehreren Interviewern. Mit ORF-Journalisten und Zeitungsjournalisten, mit ORF-Journalisten und Wirtschaftsexperten. Sogar prominente Künstler wurden den Journalisten des ORF schon als „Beiwagerl“ zur Seite gesetzt - mit inhaltlich eher durchwachsenem Erfolg, die Amateur-Journalisten waren den Profi-Politikern inhaltlich und rhetorisch nicht gewachsen.

Auch politische Begehrlichkeiten und Aufregungen gab es immer wieder um das ORF-Format. 2009 wurde das „Sommergespräch“ mit Bundeskanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann auf Wunsch seiner Pressesprecherin von der Bregenzer Seebühne ins Festspielhaus verlegt. „Mein Chef soll nicht ständig die Augen zukneifen müssen, Regen - geht gar nicht, Nebengeräusche, Tiere (am See quaken gerne Enten, nicht einmal das möchte ich, während mein Chef spricht!)“, hieß es in einem E-Mail der Kanzlersprecherin, das nie das Licht der Öffentlichkeit erblicken sollte. 2012 lockte Armin Wolf Faymann mit Fragen zur Inseratenaffäre und Studienverlauf aus der Reserve. Der Kanzler ging Interviews mit Wolf danach aus dem Weg, und SPÖ-Mediensprecher Josef Cap meinte, eine Ladung Faymanns vor den parlamentarischen U-Ausschuss zur Inseratenaffäre sei nun nicht notwendig, da das ORF-“Sommergespräch“ ohnehin „schon fast wie ein Untersuchungsausschuss“ war.

Nur zweimal seit 1981 fanden die „Sommergespräche“ nicht statt. 2008 und 2013 sorgten die bevorstehenden Nationalratswahlen mit den TV-Wahl-Duellen für eine Unterbrechung. Nach den ans ORF-“Bürgerforum“ angelehnten „Sommergesprächen“ im Vorjahr, von denen vor allem der Auftritt der „Wut-Oma“ im Gedächtnis haften blieb, geht es heuer wieder zurück zur klassischen Interview-Situation: Journalist trifft auf Politiker. 2014 lag die Durchschnittsreichweite der sechs „Sommergespräche“ bei 640.000 Sehern und 24 Prozent Marktanteil. Die meisten Zuschauer, nämlich 720.000, erreichte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Der Freiheitliche stellte 2012 mit Wolf auch den bisherigen Zuschauerrekord bei den „Sommergesprächen“ auf. Knapp 820.000 Seher waren dabei.

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