Flüchtlingsunterkünfte

Qualität runter, Bettenzahl rauf?

Lokalaugenschein Anfang Juli in Traiskirchen. Diese Kinder wohnten mit ihren Eltern in einem Zelt.
© Ritzer

Dass Innenministerin Mikl-Leitner (ÖVP) die Betreuungs-Standards senken will, bringt ihr Kritik ein. Fotos von Kindern, die in Traiskirchen auf der Wiese schlafen, empören.

Von Cornelia Ritzer

Wien –Hitze, Regenfälle, Gewitter: Der Juli hat wettermäßig viel geboten. Und egal, welche Temperatur herrschte, immer haben Flüchtlinge in Zelten übernachten müssen. Derzeit sind es 1083 Personen, die auf Feldbetten unter Zeltplanen schlafen müssen. Weitere 133 Menschen sind in Turnsälen der Polizei untergebracht. Und dann gibt es noch jene, für die es kein fixes Bett gibt: Hunderte müssen derzeit im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen auf der Wiese oder auf Parkplätzen übernachten. Darunter auch viele Kinder – wie gestern öffentlich gewordene Fotos beweisen. Diese hat das Omnibus-Team der Caritas, das Sachspenden an Flüchtlinge in Traiskirchen verteilt, auf Facebook gepostet. Kleinkinder schlafend auf der Wiese sind darauf zu sehen, außerdem überquellende Waschbecken und Toiletten.

Bilder, die viel Empörung hervorriefen. Und auch Grünen-Bundessprecherin Eva Glawischnig „unfassbar wütend“ machten. Was in Traiskirchen gerade geschehe, sei ein Hohn gegenüber der UN-Kinderrechtskonvention, die für Kinder einen angemessenen Lebensstandard mit einem Dach über dem Kopf vorsehe, meinte sie. Die Grünen-Chefin nimmt neben Innenministerin Johanna Mikl-Leitner auch Familienministerin Sophie Karmasin (beide ÖVP) in die Pflicht. Die beiden Ressortchefinnen müssten die Kinder- und Jugendhilfe aktivieren und umgehend zum Handeln bewegen.

Kritik üben die Grünen auch am Vorschlag Mikl-Leitners, die Qualität der Betreuung der Asylwerber zu senken. „Es gibt aber Standards, die sich die Länder selbst auferlegt haben, die man runterschrauben muss“, sagte die Ressortchefin am Freitag in einem Interview mit der TT und anderen Bundesländer-Tageszeitungen. Als Beispiel nannte sie, dass es derzeit für zehn Flüchtlinge ein WC und eine Dusche geben müsse. „Das könnte ebenso für 20 gelten“, so der Vorschlag der Innenministerin. Denn dann sei es den Ländern möglich, mehr angebotene Quartiere anzunehmen.

„Geht es überhaupt noch zynischer?“, kommentierte die Grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun diesen Vorschlag. Doch Mikl-Leitner verteidigte ihren Vorstoß. Gerade bei alleinstehenden jungen Männern sollte es auch möglich sein, sie in 6-Bett-Zimmern unterzubringen, meinte Mikl-Leitner. Denn jeder Grundwehrdiener werde bestätigen können, dass ein 6-Bett-Zimmer zumutbar sei. Derzeit liege die Grenze für Flüchtlingsquartiere bei fünf Betten in einem Zimmer.

Die Idee, die Betreuungsstandards zu senken und somit mehr Quartiere zu ermöglichen, missfällt auch den NEOS. Menschenrechtssprecher Nikolaus Scherak nannte die Initiative der Ressortchefin „jenseitig und unerträglich“. Langsam aber sicher müsse Mikl-Leitner aufpassen, dass sie durch ihr Unterlassen bei der Unterbringung von Flüchtlingen keine Grundrechtsverletzung begehe, meinte der pinke Abgeordnete.

Rückendeckung erhält die Ministerin dagegen von ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel. Er spricht von den „Empörungsspezialisten“ der Opposition. Polemik und Anpatzereien schafften weder eine einzige zusätzliche Unterkunft für Flüchtlinge, noch würden dadurch Lösungen erzielt, so Blümel.

Währenddessen ist der Flüchtlingsstrom nach Österreich ungebrochen, die Länder weiter auf der Suche nach Betten für Schutzsuchende. 6500 weitere Schlafplätze wolle man bis Ende Juli zur Verfügung stellen, haben die Bundesländer beim Asyl-Gipfel im Juni beschlossen – ein Ziel, das nicht erreicht werden kann. Mit Stand gestern fehlten 3500 Plätze und damit mehr als die Hälfte.

Das Innenministerium hofft also noch auf private Quartiergeber, die sich melden. Und – damit mehr zum Zug kommen – auf das Ja der Länder zu niedrigeren Standards.

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