Rumänien: Erstmals Ex-Leiter von kommunistischem Gefängnis verurteilt
Bukarest (APA) - Der ehemalige Leiter des kommunistischen Gefängnisses von Ramnicu Sarat, der heute 65-jährige Alexandru Visinescu, ist am F...
Bukarest (APA) - Der ehemalige Leiter des kommunistischen Gefängnisses von Ramnicu Sarat, der heute 65-jährige Alexandru Visinescu, ist am Freitag in erster Instanz wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Mehr als 25 Jahre nach dem Sturz der kommunistischen Diktatur gilt dieses erste Urteil gegen einen kommunistischen Folterknecht in Rumänien als historisch.
Eine lebenslange Haftstrafe konnte gegen Visinescu aufgrund seines fortgeschrittenen Alters nicht verhängt werden. Allerdings wurden ihm seine militärischen Grade entzogen und sein Vermögen beschlagnahmt - seine Pension von 6.000 Lei (rund 1.360 Euro) beträgt ein Vielfaches dessen, was die meisten ehemaligen politischen Häftlinge in Rumänien erhalten. Die Entschädigungen, die Visinescu laut Urteil zusammen mit dem Finanzministerium entrichten muss, belaufen sich auf insgesamt 300.000 Euro.
Neben anderen Führungspositionen in kommunistischen Strafanstalten hatte Visinescu zwischen 1956 und 1963 jene als Leiter des Gefängnisses in Ramnicu Sarat inne. Laut Staatsanwaltschaft habe er dort ein „Vernichtungsregime“ eingeführt, bei dem systematische Misshandlungen wie Hunger, Durst, psychische und physische Folter sowie vorenthaltene medizinische Versorgung zum Tod von mindestens 12 Insassen geführt haben. Bei den Häftlingen handelte es sich unter anderem um ehemalige Regierungschefs, führende Politiker der vom kommunistischen Regime verbotenen Parteien oder Anführer der Widerstandsorganisationen.
Unter anderem habe Visinescu dem ehemaligen Minister der Zwischenkriegszeit und Gründer der Bauernpartei, Ion Mihalache, sein Bajonett ins Herz gestochen, um sich seines Todes zu vergewissern. Diese Szene hat laut Überlieferung ein Mithäftling durch das in seine Zellenwand gebohrte Loch beobachtet. Die gleiche Geste wiederholte Visinescu auch im Falle des antikommunistischen Widerstandskämpfer Jenica Arnautu.
„Ich bin nicht schuldig. Hat die Generaldirektion denn nichts gesehen? Sie hätte eingreifen können“, beteuerte Visinescu und gab sich überzeugt, dass er die damals geltenden Gesetze eingehalten habe.
Im Zuge des Prozesses wurden zahlreiche Aussagen von Opfern und deren Nachfahren protokolliert. So berichtete Valentin Cristea, der einzige überlebende Häftling von Ramnicu Sarat, dass es den Insassen beim täglichen Hofgang im Innenhof der Haftanstalt untersagt war, ihren Blick zum Himmel zu richten. Auch durfte Cristea während der gesamten Dauer seiner Haft nicht mit anderen Häftlingen kommunizieren. Als er dies dennoch über Morsesignale versucht habe, wurde er zweimal dafür „bestraft“. Im Inneren der Zelle durfte er sich tagsüber nur auf eine Bank, nicht aber auf das Bett setzen. Die Kleidung war äußerst dürftig und wurde teilweise nie gewaschen, und das einzige Medikament, das er jemals bekam, befand sich in einem Fläschchen, dessen Etikett weggekratzt worden war, so dass er nicht wusste, was er einnahm.
Über den mittlerweile verstorbenen ehemaligen Gefangenen Ioan Barbus berichtet dessen Tochter, dass er bei der Entlassung 40 Kilogramm gewogen habe. Er sei immer wieder in Ketten gelegt worden, weil er versuchte, mit anderen Häftlingen zu sprechen. Als er auf sein Recht auf den Hofganggang bestand, wurde er, „um ihm diese Forderung auszutreiben, die Stiege hinuntergeschliffen, mit dem Kopf voran, so dass jeder Schlag hörbar war“. Vor allem infolge der Kälte trug Barbus laut seiner Tochter lebenslange Gesundheitsschäden davon. Nachfahren anderer Opfer berichteten, das in der Zelle das Wasser im Metallbecher oft gefror, oder dass die Gefangenen bei klirrender Kälte mit Wasser überschüttet wurden. In einem Fall wurden 300 Tage Einzelhaft dokumentiert, in einem anderen wurde eine Strafe verhängt, weil die 12 Jahre alte Unterhose eines Häftlings zerrissen war.
Der Dorflehrer Dinu Alexandrescu starb in Ramnicu Sarat nachdem er 15 oder 16 Tage lang beim Verhör geschlagen worden war. Am letzten Tag seines Lebens wurde die Strafe verschärft, indem ihm das Bett weggenommen wurde und er gezwungen wurde, aufrecht zu stehen. Dies erfuhr seine Ehefrau erst Jahre später auf inoffiziellem Weg von einem Mithäftling. Der Lehrer war wegen des Verdachts auf Gründung einer geheimen „Bauernpartei“-Zelle vom Geheimdienst festgenommen worden, obwohl keinerlei Beweise vorlagen. Eine Anklage wurde nie formuliert. Der Mutter wurde untersagt, in der Öffentlichkeit Trauerkleidung zu tragen. Seine Grabstätte ist bis heute unbekannt.