Kritiker: Ankara sagt Kurden den Kampf an - IS „bequemes“ Instrument
Istanbul/Ankara (APA/Reuters/dpa) - Ankara hat der Jihadistenorganisation „Islamischer Staat“ (IS) sowie anderen Extremisten spätestens mit ...
Istanbul/Ankara (APA/Reuters/dpa) - Ankara hat der Jihadistenorganisation „Islamischer Staat“ (IS) sowie anderen Extremisten spätestens mit Freitag offiziell den Kampf angesagt. Präsident Recep Tayyip Erdogan und Außenminister Ahmet Davutoglu erklärten, die innere und äußere Sicherheit ihres Landes verteidigen zu müssen. Kritiker sind der Meinung, dass sie mit der Kampfansage vor allem gegen Kurden in der Türkei vorgehen wollen.
Türkische Kampfjets griffen in der Nacht IS-Stellungen im Nachbarland an. Gleichzeitig nahm die Polizei am Freitag in einem landesweiten Großeinsatz bis zu 300 Kurden, Anhänger von linksradikalen Gruppen und mutmaßliche radikale Islamisten fest. Das Vorgehen gegen diese Gruppen werde fortgesetzt, kündigte Erdogan an.
Zudem beteiligt sich die türkische Luftwaffe ab sofort an den Luftangriffen der US-geführten internationalen Koalition gegen IS, wie das türkische Außenministerium am Freitag mitteilte. „Einheiten der Luftwaffe der Türkei werden mit dem gleichen Ziel in diesen Operationen beauftragt werden“, hieß es. Dies sei Teil eines Abkommens mit den USA. Der IS sei „die Hauptbedrohung der nationalen Sicherheit der Türkei“, heißt es in der Erklärung weiter. „Die Ausmaße dieser Bedrohung wachsen ständig.“
Zugleich erhielten die USA von Ankara die Erlaubnis zur Nutzung von Stützpunkten in der Türkei für Angriffe auf den IS. Der Einsatz von Kampfjets der regionalen Verbündeten in der Koalition von türkischen Flugplätzen müsse von der Regierung in Ankara gesondert genehmigt werden.
Erdogans Kritiker sind demgegenüber der Ansicht, dass ihr Präsident eigentlich das Ziel verfolge, die syrisch-kurdischen Kämpfer zu kontrollieren. Jener befürchte demnach, dass die Gewinne der Kurden in Syrien gegen die IS-Jihadisten, die Wünsche der rund 14 Millionen Kurden in seinem eigenen Land nach mehr Autonomie oder einem eigenen Staat befeuern könnten.
„Auch wenn Erdogan sein Ziel in Syrien bisher nicht erreichen konnte - den Sturz von (Präsident Bashar al-Assad - und der Islamische Staat zu einem Problem geworden ist, ist jener trotzdem ein bequemes Instrument für ihn“, sagte Halil Karaveli, leitender Redakteur des Politikjournals „Der türkische Analyst“. „Jetzt hat er (Erdogan) alle Ausreden, die er braucht um die Kurden zu verfolgen“, erklärte er. Zudem „lässt ihn das in den Augen der USA sehr gut aussehen, die sich freuen werden, dass die Türkei jetzt an Bord der Koalition ist“.
Oppositionelle Juristen von der pro-kurdischen HDP erklärten, dass Erdogan darauf bedacht sei, die Gewinne der syrischen Kurden gegen die IS-Jihadisten aufzuhalten bzw. zu blockieren. „Das wahre Ziel der heutigen Operationen ist nicht der Islamische Staat, sondern die demokratische Opposition“, erklärten sie in einer Mitteilung via Mail am Freitag laut der Nachrichtenagentur Reuters.
Der Schwenk in der bisherigen Politik Ankaras gegenüber dem IS folgt nach einem dem IS zugeschriebenen Attentat im grenznahen Suruc am Montag, dem 32 Menschen zum Opfer fielen. Zudem lieferten sich am Donnerstag türkische Truppen mit IS-Milizionären über die Grenze hinweg ein Feuergefecht, bei dem ein Soldat und ein IS-Kämpfer getötet wurden. Bereits am Donnerstagabend gestattete die Türkei den USA, Luftangriffe vom Stützpunkt Incirlik im Süden des Landes zu starten. Damit werden die Einsätze der von den US angeführten Koalition gegen den IS deutlich erleichtert.