Fußball: Präsidialer Schulterschluss zwischen Blatter und Putin

St. Petersburg (APA/dpa) - Joseph Blatter wirkte angespannt. Keine Spur mehr vom Charmeur, der den großen Auftritt liebt. Der Korruptionsska...

St. Petersburg (APA/dpa) - Joseph Blatter wirkte angespannt. Keine Spur mehr vom Charmeur, der den großen Auftritt liebt. Der Korruptionsskandal und die mediale Kritik haben auch beim 79-jährigen Schweizer Spuren hinterlassen. Der Noch-Präsident des Fußball-Weltverbandes (FIFA) folgte bei der Auslosungszeremonie für die Qualifikation zur WM 2018 in Russland am Samstag in St. Petersburg dem Protokoll.

Dabei ist Blatter in Russland noch angesehen, hat er der Sportgroßmacht doch auch die Fußball-WM verschafft. „Er ist ein tapferer Mann“, sagte der russische WM-Cheforganisator Alexej Sorokin und bezeichnete Blatter als „Opfer“, das Verantwortung für die Taten anderer übernehme. Dennoch wird der FIFA-Skandal bis zu Blatters Abschied beim Kongress am 26. Februar 2016 das tragende Thema bleiben.

Auch St. Petersburg war keinesfalls frei von den Schatten, die auf dem Schweizer lasten. UEFA-Präsident Michel Platini vermied es zwar geschickt, über eine mögliche Kandidatur zu reden und referierte stattdessen über sein Lieblingsthema Financial Fair Play. Aber mit einer Kandidatur des Franzosen, einem von Blatters schärfsten Kritikern, wird schon bald gerechnet.

Einen präsidialen Schulterschluss hatten zuvor Blatter und Russlands Staatschef Wladimir Putin geübt. Demonstrativ marschierten sie gemeinsam durch den prunkvollen Konstantinpalast von St. Petersburg. „Konzentrieren wir uns auf den Fußball“, sagt Kremlchef Putin, bevor sich beide die Hände jovial in Brusthöhe gaben. Wirklich entspannt wirkte Blatter aber zu keinem Zeitpunkt.

Kritik am WM-Gastgeber von 2018 wischte der FIFA-Chef beiseite. „Wir sagen noch einmal Ja zu Russland“, betonte Blatter und beugte sich fast verschwörerisch über den Tisch zu Putin. Der Kremlchef lächelte. Die in mehr als 150 Länder übertragene Auslosung war auch für den heimlichen „Weltsportminister“ ein Meilenstein. Nach Winterolympia 2014 in Sotschi hat Putin mit der Fußball-WM ein weiteres Riesenevent in sein Land geholt.

Es schien auch, als wollte Putin mit der Auslosungs-Gala allen Boykott-Forderungen - etwa wegen Russlands Rolle im Ukraine-Konflikt - Paroli bieten. Und doch spielte die Krise im Nachbarland am Rande eine Rolle: Fußballspiele zwischen Russland und der Ukraine gibt es vorerst nicht. Dazu schickten die Ukrainer nicht Nationalcoach Michail Fomenko zur Auslosung, sondern nur Assistent Wladimir Onischtschenko.

Und wie Blatter hat auch Putin Gegner. Sie kritisieren „Putins WM“, die in seiner Heimatstadt St. Petersburg mit dem Slogan „Hier beginnt der Traum“ wirbt, seit langem als Ein-Mann-Show. Für den Lebenstraum des „Zaren“ würden inmitten der Wirtschaftskrise Milliarden verpulvert, meinten Kritiker. Blatter aber wurde nicht müde, die Sportbegeisterung Putins zu loben. Das russische Volk könne stolz sein auf seinen Präsidenten, meinte der scheidende FIFA-Boss.