95. Salzburger 2 - Safranski und die „Revolution des Zeitregimes“
~ --------------------------------------------------------------------- KORREKTUR-HINWEIS In APA167 vom 26.07.2015 muss der Name des Eröffnu...
~ --------------------------------------------------------------------- KORREKTUR-HINWEIS In APA167 vom 26.07.2015 muss der Name des Eröffnungsredners im Titel sowie im ersten Absatz, erster Satz richtig heißen: Rüdiger SAFRANSKI (NICHT: Safranksi). --------------------------------------------------------------------- ~ Salzburg (APA) - Festspiel-Eröffnungsredner Rüdiger Safranski hielt ein Plädoyer für eine „Revolution des Zeitregimes“. Der deutsche Schriftsteller, Philosoph und Literaturwissenschafter sinnierte anhand des „Rosenkavalier“ über Entschwinden und Zerfließen aller Zustände und wünschte sich eine politische Machtentscheidung für eine neue „Vergesellschaftung und Bewirtschaftung der Zeit“.
„Sobald wir, wie die Marschallin, auf die Zeit achten, merken wir, wie diese gegenwärtig erlebte Wirklichkeit sich unablässig in die Vergangenheit auflöst und verschwindet.“ Weil aber „unaufhörlich die Dinge und Menschen in die Vergangenheit entschwinden, gibt es so unendlich vieles, für das man selbst jeweils der einzige und vor allem der letzte Zeuge ist und wenn die Zeugen verschwinden, stürzt das einst Wirkliche vollkommen ins Unwirkliche. Es ist dann so, als wäre es nie gewesen.“
Während man aber die Zeit selbst nicht in der Hand hat und sich auch der von ihr ständig vor Augen geführten Vergänglichkeit und Sterblichkeit nicht entziehen kann, sei die Verwendung der Zeit und das Regime der allgegenwärtigen Uhr revolutionsbedürftig. Die Gesellschaft bewege sich wirtschaftlich bedingt unter immer größerem Zeitdruck, der gleichzeitig die Lebensdauer der Produkte verringert. „Zur Beschleunigungsökonomie gehört deshalb die Wegwerfökonomie.“
Neben einem Seitenhieb auf den Finanzsektor („Das gilt für den Müll jeder Art, auch für Schulden und den vom extrem beschleunigten spekulativen Finanzhandel erzeugten Finanzmüll, der in bad banks ausgelagert wird. Man kann sicher sein, dass uns die dort gelagerten kontaminierten sogenannten Finanzprodukte ebenso wie etwa der Atommüll noch große Schwierigkeiten bereiten werden.“), erklärte er die Zeit damit zu einem Politikum.
„Es ist eine politische Machtfrage, die verschiedenen Geschwindigkeiten, die der Ökonomie und die der demokratischen Entscheidungsprozeduren aufeinander abzustimmen, was darauf hinauslaufen würde, die Ökonomie unter das Zeitmaß demokratischer Entscheidungen zu bringen. Ebenso ist es eine politische Machtfrage, ob es der Finanzwirtschaft weiterhin erlaubt bleiben soll, mit der Zukunft so gemeingefährlich zu spekulieren, wie sie das bisher getan hat und noch tut.“
„Es ist eine politische Machtfrage zu entscheiden, welchen Preis an Umweltschäden und Lebensbelastungen wir zu zahlen bereit sind - nur um eine schnellere Fortbewegungsart zu ermöglichen. Es ist eine politische Machtfrage, Lebenszyklen und Arbeitsprozesse zu synchronisieren. Und es ist eine politische Machtfrage, wie viel Zeit wir den Kindern geben und lassen wollen und den Alten und dem Altern.“