BMW

Die R 1200 R: Der neue BMW-Roadster im Fahrbericht

Die neue Telegabel bringt nicht nur Vorteile in Sachen Fahrwerk, sie sieht auch viel besser aus.
© Letzner

Der Boxer hat bei BMW seit über 90 Jahren Tradition und so setzt auch die überarbeitete R 1200 R auf dieses Konzept – zu Recht.

Von Lukas Letzner

Innsbruck — Roadster. Sie sind die puren Fahrmaschinen unter den Motorrädern. Ein Sitz, zwei Räder, ein Motor und der Tank. Keine Verkleidung, die vor Wind und Wetter schützt; keine Scheibe, die das Reißen und Zerren am Helm verhindert. Unverfälschte Freude am Fahren also. Und gerade diese traditionsreiche Fahrzeuggattung hinkte bei BMW in letzter Zeit hinter der Grenzgängerin 1200 GS oder dem Straßenkreuzer GT her. Sogar das Nostalgie-Bike R nineT verkaufte sich zuletzt besser als die R 1200 R. Dabei konnte man es natürlich nicht belassen und so wurde die nackte Münchnerin komplett überarbeitet.

Mittlerweile ist an unserer metallic grau glänzenden R 1200 R alles neu, was sie in die Sonne hält. Das Telelever-Federbein musste einer Telegabel weichen, ihre Einarmschwinget trägt sie nun links statt rechts, sie bekam einen neuen Stahlrohr-Brückenrahmen (die Ingenieure mussten diesmal nicht auf den Rahmen der GS zurückgreifen) und wird jetzt vom wassergekühlten (statt der bisherigen Öl-Variante) Zweizylinder-Boxer in Schwung gebracht. Optisch macht unsere Münchnerin zwar auf Understatement, gleich nach dem Start - dank keyless Go übrigens per Druck aufs Knöpfchen - wird allerdings klar, dass mit der neuen Technik auch ein neues Image einhergehen soll. Die Neue darf jetzt nämlich rotzfrech aus dem Endtopf bollern, klingt kerniger und aggressiver. Das hätte es früher nicht gegeben!

Was der rassige Roadster akustisch ankündigt, merkt man auch beim Fahren. Der Wasserboxer hängt äußerst feinfühlig am elektronischen Gasgriff und reagiert auf die kleinste Bewegung mit fulminantem Schub. Selbst aus dem Drehzahlkeller drückt der Motor satt aus Kurven und Kehren und reißt mit maximal 125 Pferden und ebenso vielen Newtonmeter nach vorne. Über das ganze Drehzahlband überflügelt er seinen Vorgänger deutlich und dank geänderter Airbox und neuen Schalldämpfern ist der Wasserbüffel der R 1200 R der stärkste überhaupt, liegt noch vor GS und RT. Wie direkt der Motor das Öffnen der Drosselklappen in Schub umsetzt, lässt sich mittels Motormapping beeinflussen. Serienmäßig kann der Fahrer auf die Modi „Road“ und „Rain“ zurückgreifen. Dank Dynamik-Paket (Kostenpunkt Euro 626,-) verfügte unsere nackte Bayerin zudem über die Modi „Dynamic“ und „User“. Während der Dynamic-Modus den einen oder anderen Zacken in der Linie zulässt, kann im User-Modus Gasannahme und Schlupf individuell programmiert werden.

Und so ziehen wir die ersten Schwünge den Berg hinauf und bringen Reifen, Motor und uns langsam auf Temperatur. Schon nach wenigen Kurven findet man seinen Rhythmus und ist erstaunt wie einfach die R 1200 R im Handling ist. Trotz des stolzen Gewichts von 231 Kilogramm vollzieht der Roadster Schräglagenwechsel fast von alleine und wer den Scheitelpunkt der Kurve nicht trifft, ist in der Regel selber schuld. Hier machen sich dann auch die Vorteile der Upside-Down-Teleskopgabel bemerkbar. Die Rückmeldung ist nämlich um einiges besser und in Verbindung mit dem elektronischen Fahrwerk ESA (Electronic Suspension Adjustment) funktioniert sie perfekt. Kehre um Kehre machen wir uns untertan um im nächsten Moment druckvoll auf die nächste Gerade zu stürmen. Dabei erweist sich der optional erhältliche Schaltautomat (steht mit 336,- Euro in der Liste der aufpreispflichtigen Extras) unseres Roadsters als äußerst nützlich. Kupplungsfrei und blitzschnell servieren wir die Gänge und beim Anbremsen auf die nächste Kehre begleitet die Elektronik das Herunterschalten sogar mit Zwischengas. Das Ganze funktioniert übrigens auch in Schräglage bestens.

Auf Dauer kommt uns die nächste Qualität der R 1200 R zu Gute: die Ergonomie. Die Haltung ist betont aufrecht, der Lenker fliegt einem förmlich in die Hände. Die Sitzhöhe fällt mit 770 Millimetern allerdings relativ niedrig aus. Wem das zu nieder sein sollte, der kann auf acht unterschiedliche Bänke zurückgreifen und die Sitzhöhe um 80 Millimeter nach oben treiben. Dann sitzt man auch merklich aktiver auf dem Roadster. Positiv macht sich auch der neue Tank bemerkbar. Er baut nämlich, nicht zuletzt wegen dem neuen Rahmen, deutlich schmäler und spreizt daher die Beine nicht mehr so sehr. Außerdem wird der neue Boxer von oben zwangsbeatmet und lässt Füßen und Unterschenkeln mehr Platz. So steht auch bei längeren Touren der Genuß im Vordergrund und man muss sich nicht vor Knie oder Kreuzschmerzen fürchten. Zu haben ist die neue Nackte aus München ab 15.400 Euro. Wer aber die entsprechenden Häckchen bei den Extras macht, der muss dann 19.544 Euro auf den Tisch legen. Dafür sind die obligatorischen Tourenkoffer dann auch schon montiert.

Die Technik

Motor: Zweizylinder-Boxer

Hubraum: 1170 ccm

Bohrung/Hub:101/73 mm

Drehmoment: 125 Nm bei 6500 U/min

Leistung: 92 kW/125 PS

L/B/H:2165/880/1300 mm

Leergewicht (betankt):231 kg

Tankinhalt/davon Reserve: 18/4 l

Antrieb: Kardan

Höchstgeschwindigkeit: >200 km/h

0–100 km/h: k. A.

Verbrauch: 5,7 l

Sitzhöhe:760/820 mm

Preis: 19.544 Euro

Lenkkopfwinkel: 62,3° gg. Horizontale

Nachlauf: 126

Radstand: 1515 mm

Federweg vo. / hi.: 140/140

Reifenbreite vo. / hi.: 120 / 180

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