Rassismus-Eklat in Scharnitz: Unschönes Nachspiel beginnt
Die Unterhaus-Partie zwischen Scharnitz und dem Integrationsverein FC Sans Papiers wird ein (gerichtliches) Nachspiel haben: Den Vorwurf rassistischer Äußerungen lässt der Fußballverband sicher nicht im Raum stehen.
Von Alex Gruber
Innsbruck – „Mir ist beim Frühstück fast der Kaffee aus der Hand gefallen, als ich diese Geschichte gelesen habe“, gab Josef Geisler, Präsident des Tiroler Fußballverbandes, gestern zu Protokoll. Wie die TT berichtete, war es bei dem Match zwischen dem SV Scharnitz und Sans Papiers am Samstag zu einer bestätigten Getränkedusche und anscheinend auch Spuckattacken, Rangeleien und schwerwiegenden rassistischen Äußerungen („Ihr gehört alle angezündet, ihr Schmarotzer“) gekommen.
Die Aussagen der Beteiligten gehen freilich weit auseinander. Scharnitz-Spieler Alexander Seyrling wehrt sich gegen getätigte Vorwürfe: „Da werden Halbwahrheiten erzählt, einiges ist erstunken und erlogen. Ich kann das so nicht im Raum stehen lassen, werde jetzt aber abwarten, was der Verein macht“, lässt er wissen, nachdem ein enormer „Shitstorm“ über ihn und andere hereingebrochen sei. Für heute soll eine Besprechung beim SV Scharnitz angesetzt sein.
Bis zu zwei Jahre Haft
Paragraf 283 des Strafgesetzbuchs zieht eine klare Grenze: Wer für eine breite Öffentlichkeit wahrnehmbar zu Gewalt gegen eine Gruppe (Rasse, Hautfarbe, Kirche ...) wegen dessen Zugehörigkeit zu dieser Gruppe auffordert oder aufreizt, gegen sie hetzt oder diese beschimpft, ist mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren zu bestrafen – so der sinngemäße Wortlaut der „Verhetzung“.
„Wenn Aussagen
wie ,Die gehören verbrennt‘ getätigt wurden, dann ist da ganz klar eine Grenze überschritten“, sagt Anwalt Hermann Holzmann. Die Behörde sei dann gefordert. Im Unterschied zu Delikten wie „Beleidigung“ oder „üble Nachrede“ muss diesen Tatbestand die Staatsanwaltschaft von Amts wegen verfolgen.
„Solche Äußerungen
dürfen nicht überhandnehmen“, erklärt der Innsbrucker. Das Strafgesetzbuch erfülle hier erzieherische und gesellschaftspolitische Zwecke – auch im Fußball oder in sozialen Netzwerken. „Ich bin gespannt auf den ersten Musterprozess gegen Facebook“, so Holzmann. Selbst wenn am Platz ein anderer Umgangston herrsche und einiges unter „sozial bedingte Unmutsäußerung“ falle: „Damit hat das aber nichts mehr zu tun.“
(sab)
Sans-Papiers-Obfrau Angie Eberl gibt indes keinen Millimeter nach: „Es gibt meinerseits eine Sachverhaltsdarstellung an den Tiroler Fußballverband. Ich werde alle Schritte in die Wege leiten. Wir wollen wegen zwei bis drei Spielern nicht den ganzen Verein SV Scharnitz diskreditieren, aber ich erwarte mir eine Reaktion. Es kann auch sein, dass ich wegen Verhetzung und Drohung Anzeige bei der Staatsanwaltschaft einbringe“, stellt die Gemeinderätin klar. Der Verein habe auch eine Verantwortung, wie man mit Zuschauern umgehe: „Ich kenne einige Leute des SV Scharnitz und bin offen, wie man reagiert, nehme eine Entschuldigung an. Hier wurden aber Grenzen überschritten. Und das kann man nicht stehen lassen.“ Eberl vertraut auf die zuständigen Gremien des Tiroler Fußballverbandes, der den multinationalen Spielern des Klubs ja mit einem geordneten Spielbetrieb die Möglichkeit gab, sich übers Fußball-Unterhaus leichter ins tägliche Leben zu integrieren.
Wer TFV-Präsident Josef Geisler, im Brotberuf Strafrichter, kennt, weiß, dass er sich die Sache ganz genau anschauen wird. „Es wird und kann hier keine Toleranz geben. Ich sehe diese Causa in gewisser Weise auch als Affront gegen den Verband, der diesen Menschen mit dem Fußball helfen will. Wo soll da Verständnis für gewisse Aussagen liegen? Sobald ich Stellungnahmen eingeholt habe, werden wir weitersehen. Es kann sein, dass auch ich es an die Staatsanwaltschaft weiterleite. In Zeiten wie diesen ist diese Geschichte natürlich noch brisanter. Mir fehlen die Worte. Eine Sensibilisierung bezüglich der Flüchtlingsproblematik sollte doch eingesetzt haben“, stellt das Verbandsoberhaupt in den Raum.
Geisler nimmt auch die Ordnerdienste im Fußball-Unterhaus in die Pflicht: „Ein Ordnerdienst hätte hier und grundsätzlich die Aufgabe, kalmierend einzugreifen. Ich muss mir auch als Verein das Verhalten meiner Anhängerschaft ankreiden lassen.“
Selbst ortsansässige Zuschauer (TT-Redakteurin Theresa Mair war vor Ort) waren teilweise schockiert über die Vorkommnisse. Warum aber hat der Schiedsrichter – Peter Köll ist ein Routinier seiner Zunft – nichts gesehen oder gehört? „Beim Becherwurf war ich auf der gegenüberliegenden Hälfte und der betreffende Zuseher wurde meines Wissens entfernt. Beim Hinausgehen haben die Ordner einiges auch abgewehrt. Ich habe bewusst als Letzter den Platz verlassen, um mir das genau anzusehen. Als ich zum Ausgang kam – in Scharnitz muss man außen herum zu den Kabinen gehen (Anm.) –, habe ich nicht mehr mitbekommen, was gesprochen wurde. Wenn ich etwas bezüglich Rassismus gehört oder wahrgenommen hätte, hätte es selbstverständlich Sanktionen gegeben. Dazu gibt es ja ganz klare Weisungen und wir sind gefordert.“
Fakt ist, dass eine „heiße“ und harte Partie mit einem Eklat endete. „Einige Zuschauer und die Stimmung waren aufgebracht“, konnte auch der Unparteiische Peter Köll bestätigen.
Das letzte Wort ist in diesem Fall jedenfalls noch nicht gesprochen, auch ein gerichtliches Nachspiel droht. „Machen wir doch etwas zusammen“, sagte Eberl händereichend zwischen den Zeilen. Denn der lokale Fußball muss doch für gegenseitige Toleranz stehen ...