Verdi-Feuer in Beton gegossen
Die Wiener Staatsoper gönnte sich eine neue „Macbeth“-Inszenierung.
Von Stefan Musil
Wien –Die Sichtbetonwand. Ein seit Jahrzehnten bewährtes Bühnenbauelement, wenn es um Krieg, blutige Machtspiele und Elend geht. Die Wiener Staatsoper eröffnete ihre Saison mit Verdis „Macbeth“, in dem sich genau dies abspielt. Christian Räth inszenierte und Gary MacCann besorgte die Ausstattung. Die Sichtbetonwand ist damit endlich auch im Wiener Opernhaus angekommen. Sie verstört sogar dort keinen mehr. Dafür sorgt die brave Regiehand von Räth. Denn Versöhnung war an diesem Abend angesagt. Die letzte Neuinszenierung der Verdi-Oper, noch in der Ära Holender, war ein gewagter, für ein Repertoirehaus schwer verdaulicher Regie-Versuch von Vera Nemirova, schmeckte dem Publikum nicht und wurde schnell entfernt.
Räth, bisher bei Wiederaufnahmen der Arbeiten bekannter Kollegen und an kleineren Häusern tätig, setzt auf unauffällige Repertoiretauglichkeit. Da wird im Gewand einer x-beliebigen Militärdiktatur im ungefähren Heute Verdis Shakespeare solide nacherzählt.
Die Hexen wirbeln, zu netten Gruppen arrangiert, als langhaarige Fantasy-Gestalten vor einer projizierten Mondfinsternis herum und wacheln lustig mit ihren zu langen Uniformärmeln. Dazwischen dürfen sie auch die Sichtbetonwände verschieben und sich so als die treibenden Kräfte der Tragödie beweisen. Die Lady stachelt ihren Gatten im Ehebett zum Mord an. Der Geist des gemeuchelten Banquo erscheint Macbeth als artige Schattenprojektion. Für den Flüchtlingschor wird die Sichtbetonwand sogar bühnenbreitenfüllend. Davor aufgefädelt besingt der bestens studierte Staatsopernchor das Elend. Die Lady kann sich beim Schlafwandeln ganz dem Singen widmen, huschen doch mehrere Doppelgängerinnen über die Treppen zwischen den Sichtbetonwänden. Der Wald von Birnam taucht als Kinder-Krixi-Kraxi-Bäume selbstverständlich auf der Sichtbetonwand auf. Natürlich ist Repertoirefähigkeit ein wichtiges Gebot an einem Haus wie der Staatsoper. Ob es deshalb Not tut, den inszenatorischen Anspruch so tief zu schrauben, dass man jeden gerade eingeflogenen Sänger in ein paar Minuten in eine Regie einweisen kann, bleibt fraglich.
Schließlich hätte sich das musikalische Niveau des Abends szenisch Höherwertiges verdient. Am Pult sorgte Alain Altinoglu mit dem hervorragenden Orchester für einen ungemein differenzierten, farbig nuancierten Verdi-Klang, der noch ein wenig mehr Drive vertragen könnte, aber insgesamt höchst überzeugend gefiel. George Petean gab den Macbeth, begeisterte vor allem mit seinem wunderschön geführten Bariton in seiner großen Arie. Es ist zu hoffen, dass diese Partie für diesen wunderbaren jungen Sänger noch nicht zu früh kommt. Ihre Erfahrung als weltweit gefragte Lady Macbeth brachte Hausdebütantin Tatiana Serjan ausgezeichnet, wenn auch in der Höhe etwas eng, ein. Ferruccio Furlanetto sicherte als Banquo dem Abend Weltklasse-Bassglanz, während Jorge de León als Macduff mit leicht ramponiert klingendem Tenor vor allem lautstark aus dem sonst guten Restensemble auffiel. Das Publikum bedankte sich jedenfalls widerspruchslos für diese Verdi-Rückkehr.