„Wir sind anders als Ihr“ - Tory-Parteitag hadert mit Europa
Manchester (APA/dpa) - Für Bruce Henderson, Tory-Mitglied aus Sussex, ist die Sache ganz einfach: „Wir sind besser als die EU. Die EU kann n...
Manchester (APA/dpa) - Für Bruce Henderson, Tory-Mitglied aus Sussex, ist die Sache ganz einfach: „Wir sind besser als die EU. Die EU kann nicht einmal einen Coffeeshop führen.“ Zu groß, zu bürokratisch, zu teuer. Egal, was David Cameron da noch mit Brüssel aushandeln will, es ist höchste Zeit, dass Großbritannien austritt. Keine Diskussion, basta.
Ganz ähnlich, wenn auch etwas philosophischer, sieht das Parteifreund John Collins. „Wir sind anders als Ihr, immer schon gewesen.“ Insulaner eben. „Unsere Hauptstadt ist London, nicht Brüssel und nicht Straßburg.“
Die erste Überraschung beim Parteitag der britischen Konservativen in Manchester: Es ist verdammt schwer, einen Fürsprecher für Europa, für einen Verbleib in der EU zu finden. Die Europa-Freunde schweigen, die Kritiker drehen auf.
Es scheint, es sei da etwas ins Rutschen gekommen seit dem unerwarteten und triumphalen Wahlsieg von Premier Cameron im Mai. Das EU-Establishment solle aufpassen, warnt denn der „Daily Telegraph“. „Großbritannien driftet leise in Richtung Ausstieg.“
Lauscht man den Reden in Manchester, überwiegt der Eindruck, als könnten die Tories vor Kraft kaum noch gehen. Seit fast 20 Jahren wieder eine konservative Alleinregierung, endlich wieder britisches Profil in der Welt - das Empire hat endlich wieder Glanz gewonnen.
Doch so richtig Party machen wagt dann auch niemand in Manchester. Wie eine drohende dunkle Wolke schwebt da das Versprechen Camerons, die Briten per Referendum über die EU abstimmen zu lassen. Bleiben oder Rausgehen - das ist hier die Frage. Cameron hat die Geister gerufen, jetzt scheint er vor ihnen zu zittern. Spätestens Ende 2017 soll das Referendum stattfinden, der Ausgang sei völlig offen, meinen die Auguren - bange Wochen und Monate stehen bevor.
Cameron ist unter Druck, immer vorsichtiger äußert er sich, und was er sagt, hört sich nicht gerade Europa-freundlich an. Zwar sei er ja eigentlich der Meinung, Großbritannien solle auch weiter in einer reformierten EU bleiben, meint er in einem Interview. Aber „wenn wir nicht bekommen, was wir verlangen, schließe ich nichts aus“. Ist das Erpressung, spricht so ein echter Europäer?
Britische Parteitage sind anders: Es gibt keine Anträge und Antragskommissionen, dafür kann man sich aber Herrenhemden und Sonstiges kaufen. Dann gibt es sogenannte Fringe-Events, kleinere Debatten-Clubs am Rande. Mit interessanten Themen. Eines heißt etwa: „Should Conservatives still care about climate change?“ - Müssen Konservative sich noch um den Klimawandel kümmern? Kontinentaleuropäer kommen da eher ins Grübeln.
In einem anderen Seitenereignis geht es um das feinseinige Thema „englische Identität“. Zwei Professoren führen aus, dass es mit der englischen Identität den Bach runtergeht. Diejenigen allerdings, die sich noch heute ausdrücklich englisch fühlen, seien zugleich besonders vehemente EU-Gegner. Ganz anders hingegen bei den Schotten: Die seien nämlich zwar Identitäts-stark, aber trotzdem proeuropäisch.
England, Schottland, EU - alles hängt irgendwie zusammen. Cameron weiß: Sollten die übrigen Briten für ein Raus aus Europa stimmen, votieren die Schotten postwendend für einen Verbleib - und lösen sich vom Königreich.
Die Zeitung „The Independent“, nicht unbedingt ein Cameron-freundliches Blatt, malt schon ein Szenario an die Wand, das der Albtraum jedes britischen Premiers sein dürfte. „Mr. Cameron könnte so zum letzten Premier dessen werden, was wir bis dato United Kingdom nennen. Und zu dem Mann, der Großbritanniens Platz in Europa verloren hat.“