Portugal - Regierung steht nach Wahlen vor großen Herausforderungen

Lissabon (APA) - Trotz ihrer unpopulären Sparpolitik hat die Mitte-Rechts-Koalition von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho am Sonntag die...

Lissabon (APA) - Trotz ihrer unpopulären Sparpolitik hat die Mitte-Rechts-Koalition von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho am Sonntag die portugiesischen Parlamentswahlen gewonnen. Dabei hatte die Austeritätspolitik schwerwiegende soziale Auswirkungen: Fast jeden vierten Portugiesen trieb sie in die Armut. Rund eine halbe Millionen Portugiesen verließen das Land auf der Suche nach Jobs.

Der Sparkurs war Lissabon von der internationalen Geldgeber-Troika aus EU und dem Internationalen Wirtschaftsfonds (IWF) vorgeschrieben worden, die das Land 2011 mit 78 Milliarden Euro vor der Pleite retten musste. Er führte zu sozialen Protesten, die aber trotz der Verarmung vieler Portugiesen langsam verschwanden, je mehr sich die makroökonomischen Wirtschaftsdaten im Zuge einer gezielten Förderung von kleinen und mittelständigen sowie exportierenden Unternehmen verbesserten. In diesem Jahr ging die Arbeitslosenquote auf 12 Prozent zurück. Für 2015 wird mit einem Wirtschaftswachstum von 1,6 Prozent gerechnet.

„Unter dem Eindruck, die Krise könne mit der harten Reformpolitik langsam überwunden werden, konnte die Mitte-Rechts-Koalition die Portugiesen anscheinend mehr überzeugen als die Sozialisten, die sich für einen sozialverträglicheren Reformkurs aussprachen, ohne diesen aber zu konkretisieren“, erklärte der renommierte Politologe Antonio Costa Pinto im APA-Gespräch den Ausgang der Wahlen.

Das Problem: Die Mitte-Rechtskoalition konnte zwar die Wahlen gewinnen, verfehlte aber ihre bisherige absolute Mehrheit. Ihre Regierungsbildung und damit die Fortführung der rigiden Sparpolitik erweisen sich damit als unsicher. Die oppositionellen Sozialisten, sollten sie eine Große Koalition mit den Konservativen eingehen oder eine Regierung mit den Linksparteien bilden, sprechen sich für die Aufweichung der Austeritätspolitik aus. Die Linksparteien wollen sie ganz beenden.

Wie viele andere Wirtschaftsexperten mahnt jedoch auch Albert Jäger, IWF-Repräsentant in Lissabon, Portugals neue Regierung im APA-Gespräch vor nachlassendem Reformeifer: „Portugal ist zwar nicht Griechenland, aber das Klischee des europäischen Musterschülers ist auch fehl am Platz“.

Vor allem mit Blick auf die hohe Staatsverschuldung und eine immer noch unvollständige Haushaltskonsolidierung sei noch viel zu tun. Vor allem im Kampf gegen die enorm hohe Arbeitslosenquote, die bei Jugendlichen um die 34 Prozent liegt, gebe es noch große Herausforderungen. Jäger fordert zudem eine Umstrukturierung der Unternehmenslandschaft, die in Portugal vor allem auf kleine und mittelständige Firmen basiert: „Portugal braucht wettbewerbsfähigere Export-Unternehmen“.

Großen Strukturreformbedarf sieht der IWF-Repräsentant auch im überdimensionalen und wenig unternehmerfreundlichen öffentlichen Sektor. Der gebürtige Österreicher lobt zwar die bisherigen Maßnahmen Lissabons, die Krise unter Kontrolle zu bekommen. Gleichzeitig aber gibt er zu bedenken, dass das Wachstum zum Teil durch außergewöhnlich günstige Finanzierungsbedingungen, niedrige Ölpreise und die Abwertung des Euro angetrieben wird. „Sobald dieser Rückenwind für das Wachstum verschwunden ist und keine weiteren Reformen stattfinden, könnte das Wachstum mittelfristig auf 1,3 Prozent fallen, was zu wenig wäre“, meint Albert Jäger.

„Dies wäre eine enttäuschende Wachstumsrate für ein Land, das im Grunde in den letzten 15 Jahren stagnierte, und in dem viele Menschen entweder keine Arbeit haben oder deren Einkommen recht niedrig im Vergleich zum EU-Durchschnitt ist“, so der IWF-Repräsentant.

Dabei muss Portugal laut der OECD schon jetzt seinen Staatshaushalt jedes Jahr um 1,9 Prozent kürzen, um 2030 die für Euro-Länder obligatorische Verschuldungsquote von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erreichen - diese liegt derzeit bei 130 Prozent - Tendenz steigend.

Die Konsolidierung der portugiesischen Wirtschaft sei zwar in vollem Gange und man könne heuer mit einem Wachstum von 1,6 Prozent des Bruttoinlandproduktes rechnen. „Doch eine solche Wachstumsrate, die von Privatkonsum und Exporten getragen wird, reicht bei weitem nicht aus, um langfristig und nachhaltig Industriewachstum und Arbeitsplätze zu schaffen“, versichert auch Astrid Pummer, österreichische Handelsdelegierte in Lissabon, im APA-Gespräch.

Da Portugal zudem sehr stark von der Entwicklung seiner Haupthandelspartner wie Spanien abhängig ist, sei die Wirtschaftslage des Landes derzeit noch als fragil einzustufen. Zu den größten wirtschaftlichen Problemen, welche die neue Regierung zu bewältigen habe, zählt Pummer den immer noch hohen Verschuldungsgrad von Privathaushalten und Unternehmen, der auch zur schwachen Profitabilität des portugiesischen Bankensektors beitrüge. Auch sie warnt Portugals neue Regierung, egal welches Parteienbündnis nun das ehemalige Euro-Krisenland regieren sollte, vor einem Ende der bisherigen Spar- und Reformpolitik.