Ruf zur Umkehr, Bewunderung und Hass: Polen und das Charamsa-Outing
Vatikanstadt/Warschau (APA/dpa) - Für die einen war es eine mutige Geste, für die anderen der Bruch mit allem, was ihnen heilig ist: In Pole...
Vatikanstadt/Warschau (APA/dpa) - Für die einen war es eine mutige Geste, für die anderen der Bruch mit allem, was ihnen heilig ist: In Polen sind die Reaktionen auf das Outing des polnischen Theologen Krzysztof Charamsa gespalten. Kirchenvertreter mahnen zur „Umkehr“
Dass die Reaktionen in seiner polnischen Heimat scharf ausfallen würden, wusste Charamsa vor seinem Coming Out. Im Episkopat dominiert der Flügel der erzkonservativen Bischöfe. Vor allem in Kleinstädten und auf dem Land leben Homosexuelle im Verborgenen. Skinheads machen gerne Jagd auf Schwule, die sie als „Pedaly“ beschimpfen und mit Kinderschändern gleichsetzen. Und nun Charamsa: Ein Theologe aus dem Vatikan, der nicht nur erklärt, er sei schwul, sondern auch gleich seinen Lebensgefährten präsentiert.
Das sehr öffentliche Coming Out verdrängt seit dem Wochenende den Wahlkampf aus den politischen Fernsehdiskussionen. Während sich Vertreter der polnischen Kirchenhierarchie bisher nur verhalten äußerten, schlägt Charamsa von rechtskatholischen Medien Hass und Ablehnung entgegen. „Er stellt Sex über die Kirche“, ereiferte sich der erzkonservative Theologieprofessor Dariusz Oko. Charamsa hatte ihn erst in der vergangenen Woche in der angesehenen katholischen Wochenzeitung „Tygodnik Powszechny“ wegen hasserfüllter Bemerkungen über Homosexuelle angegriffen.
War dieser Artikel bereits eine Art Test für das Coming Out? Oko nannte „Tygodnik Powszechny“ am Montag eine „Gruppe von Verrätern“. Die Redaktion selbst hatte noch am Wochenende in einer Erklärung betont, die neuen Informationen über Charamsa änderten nichts an der Richtigkeit seiner Kritik.
Das nordpolnische Heimatbistum Charamsas im pommerschen Pelplin veröffentlichte bereits am Samstag eine Stellungnahme, in der der Priester zur „Umkehr“ aufgefordert wurde. Der Primas der katholischen Kirche und Gnesener Erzbischof Wojciech Polak sprach vom „persönlichen Drama“ Charamsas. „Möge Gott ihm die Gnade der Besinnung geben“, fügte er hinzu.
Unversöhnlich zeigte sich dagegen der rechtskonservative Politiker Przemyslaw Wipler: „Er hat den Menschen ins Gesicht gespuckt, die an ihn glaubten“, kommentierte er das Outing des Vatikan-Priesters. Der liberalkonservative Politiker und Schwulen-Aktivist Radomir Szumelda, der erst vor wenigen Jahren sein eigenes Coming Out hatte, hofft wiederum, dass das spektakuläre Outing unmittelbar vor der Familiensynode im Vatikan auch eine Chance für den Dialog der Kirche mit sexuellen Minderheiten sein kann.
„Dieser Mann muss ungeheure Kraft haben, um in einer so konservativen Umgebung aus dem Muster auszubrechen“, sagte Szumelda im Rundfunksender Radio Gdansk. Das Coming Out sei nur die Spitze eines Eisbergs: „Die herrschende Überzeugung ist, über Schwierigkeiten zu schweigen. Pfarrer Krzysztof hat viele bittere Wahrheiten über die polnische Kirche und die polnische Gesellschaft gesagt.“
In einem Punkt kritisieren allerdings auch liberale Medien Charamsa: Das Outing erwecke weniger den Eindruck eines Befreiungsschlages als einer medial inszenierten Aktion. Dazu passt, dass Charamsa im Interview mit „Newsweek Polska“ die Veröffentlichung eines Buchs ankündigt, das schon bald erscheinen soll. Mit der Präsentation seines Lebensgefährten habe der Priester zudem den Bruch des Zölibats demonstriert - jenes Kirchengebots der Ehelosigkeit, zu dem sich Priester bei ihrer Weihe verpflichten. Ganz gleich, ob sie homo- oder heterosexuell sind.