Flüchtlinge - Deutschland lehnt neue Prognose zu Flüchtlingszahl ab

Berlin (APA/AFP) - Die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland wird in diesem Jahr alles bisher Dagewesene übertreffen - auf eine neue Schätzzah...

Berlin (APA/AFP) - Die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland wird in diesem Jahr alles bisher Dagewesene übertreffen - auf eine neue Schätzzahl will sich die Regierung in Berlin aber nicht einlassen. Die „Bild“-Zeitung zitierte am Montag aus einem internen Behördenpapier, wonach mit bis zu 1,5 Millionen Flüchtlingen gerechnet werde.

Die deutsche Regierung wollte sich diese Schätzung aber nicht zu eigen machen: „Ich bin gegen neue Prognosen“, sagte Innenminister Thomas de Maiziere (CDU).

Das angebliche Geheimpapier sorgte in Berlin für Wirbel: Bisher sagt die Regierung für 2015 die Ankunft von 800.000 Flüchtlingen voraus. Auch dies wäre bereits ein Rekord. Dem von „Bild“ zitierten Dokument zufolge halten Behörden es inzwischen aber für denkbar, dass allein zwischen Oktober und Dezember noch bis zu 920.000 Flüchtlinge nach Deutschland kommen.

Vizeregierungssprecher Georg Streiter stellte die Existenz eines solchen Dokuments nicht in Abrede, deutete aber an, dass es sich um Überlegungen auf Behördenebene handle. Er kenne „niemanden in der Bundesregierung“, der von diesem Papier Kenntnis habe.

De Maiziere warnte am Abend bei einem Bürgerdialog in Stuttgart davor, immer höhere Zahlen in die Welt zu setzen. „Wenn wir jetzt sagen, es könnten eine Million werden“, dann würde dies die Schlepper ermuntern, noch mehr Menschen in Richtung Deutschland zu befördern, sagte er. „Wir sollten alles tun, dass in diesem Jahr die Zahlen nicht so hoch werden und in den kommenden Jahren erst recht nicht.“

Ein Sprecher des Innenministeriums zweifelte generell an der Aussagekraft neuer Prognosen. Die hohen Zuzugszahlen im September könnten nicht einfach auf die kommenden Monate hochgerechnet werden, sagte er. Er verwies auf den anstehenden Winter, der Menschen wegen der ungünstigen Witterung von der Flucht abhalten könnte. Ebenfalls eine dämpfende Wirkung könnten die Änderungen des deutschen Asylrechts zeigen, die in Kürze in Kraft treten sollen.

All diese Szenarien seien aber mit Unwägbarkeiten verbunden, weswegen eine neue Prognose schwierig sei, sagte der Ministeriumssprecher. Allerdings hatten deutsche Politiker aus den Koalitionsparteien ebenfalls schon höhere Zahlen genannt - zuletzt Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU), der am Wochenende von einer Schätzzahl von 1,2 bis 1,5 Millionen Flüchtlingen sprach. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte am Montag: „An 800.000 glaubt kein Mensch mehr.“

Die ungenannten Autoren des Behördenpapiers, aus dem die „Bild“ zitierte, zeichneten ein beunruhigendes Bild der Entwicklung: Es drohe ein „Zusammenbruch der Versorgung“.

Ein Problem sei zudem der Familiennachzug anerkannter Asylbewerber, zitiert die Zeitung weiter aus dem Papier. „Aufgrund der familiären Strukturen in den Herkunftsstaaten des Nahen Ostens“ müsse damit gerechnet werden, dass jeder anerkannte Flüchtling aus der Region, der in Deutschland Asyl erhält, im Durchschnitt vier bis acht Angehörige nachziehen lassen könne. Diese Zahl wollte das Innenministerium aber ausdrücklich nicht bestätigen.