Dittelbacher 2: „Interesse der Politik heißt Öffentlichkeitsarbeit“
Wien (APA) - APA: Wenn man heute Zeitungen aufschlägt oder den Fernseher aufdreht, hat man das Gefühl, die Welt war noch nie so schlecht und...
Wien (APA) - APA: Wenn man heute Zeitungen aufschlägt oder den Fernseher aufdreht, hat man das Gefühl, die Welt war noch nie so schlecht und in so katastrophalem Zustand wie heute. Viele verzichten deshalb lieber auf Medien ...
Dittlbacher: Das verstehe ich, und eine Aneinanderreihung von Perlenketten von Katastrophen und schlimmen Meldungen können wir heute auch nicht mehr anbieten. Wenn man sich die „Zeit im Bild 1“ heute anschaut und mit der von vor 15 Jahren vergleicht, haben wir uns bereits stark verändert. Damals wurden 15 bis 17 Beiträge abgespult, mittlerweile konzentrieren wir uns auf 5 bis 7 Themen pro Sendung. Und wir bringen nicht mehr bloß Pressekonferenzen und Agenturbilder, sondern Reportagen, um einer Geschichte auch ein Gesicht zu geben. Wenn es um Arbeitslosigkeit geht, treten Arbeitslose auf und nicht Funktionäre. Wir zeigen auch positive Beispiele, und wir bringen mehr Analyse, Live-Schaltungen und Erklärungen mittels Grafik im Studio. Wir versuchen, den Leuten die Welt besser zu erklären. Und wir versuchen natürlich auch zu zeigen, dass die Welt nicht nur schlecht ist.
APA: 2010 hatte die SPÖ Ihre Bestellung zum Chefredakteur forciert und ließ dafür sogar Informationsdirektor Elmar Oberhauser abwählen. Bei den Personalspekulationen um die ORF-Wahl 2016 fällt der Name Dittlbacher nicht mehr so oft. Offenbar haben Sie nicht gehalten, was die Politik sich von Ihnen erwartet hat ...
Dittlbacher: Schon 2010 ist meine Bestellung von meinem damaligen Chefredakteur Karl Amon betrieben worden, und im übrigen auch von der „ZiB“-Redaktion in einer Abstimmung mit großer Mehrheit bestätigt worden. Ich bin damals als Journalist Chefredakteur geworden und habe seither versucht, guten, ordentlichen und glaubwürdigen Journalismus auf Sendung zu bringen. Ziel des Journalismus kann es nicht sein, geliebt zu werden, Ziel muss es sein, dass dich die Leute respektieren. Unser Team wird respektiert, und damit bin ich sehr zu frieden.
APA: Also keine Ambitionen auf mehr?
Dittlbacher: Es geht für mich nicht darum, wie ich mehr werden kann, sondern darum, den Job, auf den ich berufen wurde, ordentlich zu machen. Es gibt eben eine große Trennlinie in der medialen Kommunikation: Das Interesse der Politik heißt Öffentlichkeitsarbeit. Das Interesse von Journalisten sollte Aufklärung sein. Und das muss notwendigerweise auseinanderklaffen. Aufgabe eines Redakteurs muss es sein, auf der Seite der Aufklärung und nicht der Öffentlichkeitsarbeit zu stehen.
APA: Beim 40. Geburtstag der „ZiB 2“ haben Sie gemeint, diese Sendung kann ziemlich gefährlich werden. Etwa denen, die sich dort wie Frank Stronach entzaubern, oder denen, die wie Werner Faymann nicht auftreten wollen. Hat sich das Verhältnis zum Kanzler entspannt?
Dittlbacher: Wir haben mittlerweile einige Studiogespräche mit dem Bundeskanzler gehabt. In der Politik hat sich doch das Wissen durchgesetzt, dass die „ZiB 2“ kommunikationstechnisch eine derart wichtige politische Bühne ist, dass man diese besser nutzt, als dass man sie nicht nutzt. Die „ZiB 2“ liefert sehr ordentlichen Journalismus, und was hier auf Sendung geht, ist glaubwürdig. Die Seher haben bei uns eben nicht im Hinterkopf, ob Inserate eine Rolle spielen, ob bestimmte Fragen gestellt oder nicht gestellt werden.
APA: Zugleich haben Sie gemeint, die „ZiB 2“ könne auch Chefredakteuren und Geschäftsführung gefährlich werden, weil sie sich nur „kritischem Journalismus verpflichtet“ fühlt. Sind Sie in Gefahr?
Dittlbacher: Nein, ich sehe mich grundsätzlich nicht in Gefahr, auch nicht durch die „ZiB 2“. Das liegt aber auch dran, dass ich mich eben als Journalist und Teil eines journalistischen Teams sehe und meinen persönlichen Erfolg daran messe, ob bei uns ordentlicher und mutiger Journalismus stattfinden kann.
APA: Wie sieht es mit politischen Interventionen: Auf welcher „Defcon-Stufe“ befindet sich der ORF gerade?
Dittlbacher: Die Vorstellung darüber, wie sehr interveniert wird, ist deutlich größer, als es tatsächlich der Fall ist. Es gibt natürlich immer wieder mal Auseinandersetzungen mit Politik oder Wirtschaft, weil diese sich falsch oder ungerecht behandelt fühlen. Aber es ist auch nicht so, dass ich jeden Tag mit Schwert und Lanze ins Feld ziehen muss.
APA: Was werden Sie ab 2017 machen. Ihr derzeitiger Job als TV-Chefredakteur ist ja bis Ende 2016 befristet und in der von ORF-Chef Wrabetz geplanten neuen Struktur auch nicht mehr vorgesehen?
Dittlbacher: Ich habe nicht den Eindruck, dass mein Job oder der des Radio-Chefredakteurs überflüssig ist, oder derzeit mit zu wenig Aufgaben oder Notwendigkeit versehen ist. Und solange nicht alle in einem gemeinsamen Gebäude und Newsroom sitzen, wird es diese Notwendigkeit wohl weiter geben - und in den einzelnen Medien wohl auch Ansprechpartner und Koordinatoren. Was 2017 ist, hängt von der neuen Geschäftsführung ab. Ich mache mir aber keine Sorgen. Ich hab genug zu tun, und ich kann meinen Job auch ausreichend gut.
(Das Interview führte Johannes Bruckenberger/APA)
~ WEB http://orf.at ~ APA241 2015-10-06/12:00