Physik-Nobelpreis: Kajita und McDonald haben „Smoking Gun“ entdeckt

Wien (APA) - Mit der Entdeckung, dass Neutrinos Masse besitzen, haben die diesjährigen Physik-Nobelpreisträger Takaaki Kajita und Arthur B. ...

Wien (APA) - Mit der Entdeckung, dass Neutrinos Masse besitzen, haben die diesjährigen Physik-Nobelpreisträger Takaaki Kajita und Arthur B. McDonald „die ‚Smooking Gun‘ entdeckt, dass es außerhalb des in der Teilchenphysik gängigen Standardmodells etwas geben muss“. Das erklärte der Wiener Teilchenphysiker und designierte Leiter des Department für experimentelle Physik am CERN, Manfred Krammer, der APA.

„Wir freuen uns sehr, dass es wieder einmal einen Nobelpreis für die Teilchenphysik gibt“, so der derzeit stellvertretende Direktor des Instituts für Hochenergiephysik (HEPHY) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) der ab 2016 rund 900 Mitarbeitern am Europäischen Labor für Teilchenphysik CERN in Genf (Schweiz) vorstehen wird. Im Rahmen ihrer Experimente konnten die Forschungsgruppen Kajitas und McDonalds erstmals den Nachweis für das Oszillieren von Neutrinos erbringen, also dass die Teilchen ihre Identität verändern.

Das Standardmodell der Teilchenphysik, das erklärt, welche Elementarteilchen es gibt und wie diese miteinander interagieren, umfasst auch drei Neutrino-Arten: Das Elektron-, das Myon- und das Tau-Neutrino. „In dem mit extremer Genauigkeit gemessenen Modell sollte es aber nur masselose Neutrinos geben“, so Krammer. Doch wenn sich die Neutrinos auf dem Weg von ihrem Entstehungsort zu den Detektoren umwandeln können, müssen sie Masse haben - und das ist für Krammer „das Sensationelle an der Forschung der beiden Gruppen. Das ist für uns der erste ‚Smoking Gun‘, dass es etwas außerhalb des Standardmodells geben muss.“

Die Tatsache, dass beispielsweise ein Elektron-Neutrino, wenn es lange genug unterwegs ist bzw. sich durch Materie bewegt und damit wechselwirkt „plötzlich ein Myon-Neutrino wird, kann nur passieren, wenn die Teilchen Masse haben. Denn ein masseloses Teilchen, wie das Photon (Lichtteilchen, Anm.) kann sich auch nicht verwandeln“, so der Physiker.

Diese Erkenntnis um die Jahrtausendwende hatte zur Folge, dass sich viele Physiker mit den rätselhaften Teilchen in mehreren Experimenten weltweit auseinandersetzen. Kein Wunder, handelt es sich laut Krammer doch um den „ersten Roten Faden außerhalb des Standardmodells, den wir aufgreifen können“.

Die Gruppen um Kajita und McDonald konnten zwar zeigen, dass es die Wandlungsfähigkeit der Neutrinos gibt, mit welcher Wahrscheinlichkeit diese auftritt, müsse aber noch genau vermessen und berechnet werden. Da die Teilchen aus unterschiedlichen Quellen, wie dem Inneren von Sternen stammen können, gibt es auch unterschiedliche Ansätze zu ihrer Messung: Einerseits können sie mit einem Teilchenbeschleuniger, wie etwa dem Large Hardon Collider (LHC) am CERN, erzeugt werden. Andererseits bauen Forscher riesige Detektoren, wie den etwa einen Kubikkilometer großen Neutrino-Detektor „IceCube“ in der Antarktis, mit denen sie Neutrinos kosmischen Ursprungs immer öfter auf die Spur kommen.

„Das besonders faszinierende an den Neutrinos ist für mich, dass sie eine Brücke zwischen der Elementarteilchenphysik, also dem Kleinsten, was wir derzeit untersuchen, und der Kosmologie, also dem Größten, bilden“, erklärte Krammer. Denn die so schwer zu fassenden Teilchen sind omnipräsent und spielen bei allen elementaren Reaktionen genauso ihre Rolle, wie im Kosmos, wo sie nach den Photonen die häufigste Teilchengruppe darstellen.