Arpad Göncz - Ungarns früherer Präsident war ein Mann des Konsens
Budapest (APA) - Ungarn trauert um Arpad Göncz. Zehn Jahre diente der Dichter und frühere Dissident seit seiner Wahl 1990 seinem Land und Vo...
Budapest (APA) - Ungarn trauert um Arpad Göncz. Zehn Jahre diente der Dichter und frühere Dissident seit seiner Wahl 1990 seinem Land und Volk als Staatspräsident. Er war nicht nur ein „Mann des Konsens“ und ein Garant für den Demokratisierungsprozess, sondern wurde zu einem fast unumstrittenen Landesvater. In Beileidsbekundungen wird Göncz durchgehend als bescheidener Mensch beschrieben.
Mit dem früheren Staatschef sei der „größte Held der Freiheit von uns gegangen“, hieß es in einem Kondolenzschreiben. Er sei als Staatschef „nicht Herr dieser Nation, sondern ihr erster Bürger“, würdigten ihn andere. Seine großartige Persönlichkeit wäre „Vorbild und Symbol der nationalen Einheit, mit seinem Lebensweg, seiner Denkweise“. Die Würdigungen kamen nicht von ungefähr.
Kein Politiker hat es seit dem Übergang Ungarns zur Demokratie in den vergangenen zehn Jahren zu vergleichbarem Ansehen gebracht wie Göncz. Der liberale, zurückhaltende weißhaarige Mann stand unangefochten an der Spitze bei der Frage nach dem beliebtesten Politiker Ungarns. Von seinem Volk liebevoll „Onkel Arpi“ (Arpi bacsi) genannt, hat es Göncz verstanden, mit Vertretern aller gesellschaftlichen Schichten einen einfachen und unprotokollarischen, schlicht menschlichen Umgang zu pflegen.
Der promovierte Jurist gilt als Symbolfigur der politischen Stabilität. Der fast schüchtern wirkende, mit feiner Ironie ausgestattete Göncz setzte sich für Pressefreiheit ebenso ein wie für mehr Sozialhilfe für Bedürftige. Seine volksnahe Art und sein entschlossenes Auftreten für die Demokratie haben ihm fast grenzenlose Beliebtheit gesichert.
Dass ihn sein Lebensweg einst ins höchste Amt des Staates führen würde, war Arpad Göncz nicht vorbestimmt. Er wurde 1922 in Budapest geboren. 1944 beendete er ein Studium der Rechtswissenschaften und engagierte sich im Widerstand gegen die deutsche Besetzung im Zweiten Weltkrieg. 1956 nahm er am Volksaufstand in Ungarn teil. In einem Geheimprozess wurde er 1957 zu lebenslänglicher Haft verurteilt, 1963 jedoch im Rahmen einer Amnestie freigelassen.
Nach Tätigkeiten als Hilfsarbeiter trat Göncz in den siebziger Jahren als Erzähler und Dramatiker hervor. Auf Deutsch erschien 1999 der Roman „Sandalenträger“ (Aufbau-Verlag). 1989 wurde er zum Vorsitzenden des Ungarischen Schriftstellerverbandes und 1990 zum Staatspräsidenten gewählt. 1995 wählte ihn das ungarische Parlament für eine zweite Amtszeit.
So außerordentlich Göncz auch in der ungarischen Bevölkerung war, so unbequem war er als Präsident bisweilen für die Politiker der konkurrierenden Parteien. Als „unbeugsamer Wächter der Demokratie“ wachte er über das Handeln aller Regierungen in seiner Amtszeit und scheute sich auch nicht, Fehlentwicklungen und Versäumnisse öffentlich anzusprechen. Mehrfach ließ er Gesetzesentwürfe durch das Höchstgericht überprüfen, stets zum Unwillen der jeweiligen Regierung. Obwohl ihn 1990 der liberale Bund Freier Demokraten für das Präsidentenamt nominiert hatte, verstand sich Göncz nie als Parteipolitiker, sondern als Präsident aller Ungarn. Und das war er.
Nach seinem Rückzug im Jahre 2000 erhielt Göncz zahlreiche Auszeichnungen, wie im gleichen Jahr die Sonderstufe des Großkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, 2002 den Imre-Nagy-Verdienstorden, 2003 den Corvinus-Preis des Budapester Europainstitutes. 2009 wurde er mit dem Internationalen Adalbert-Preis für Frieden, Freiheit und Zusammenarbeit in Europa der Adalbert-Stiftung ausgezeichnet.