Hypo-U-Ausschuss

Schüssel will nichts gewusst haben, Tilo Berlin sieht sich als Opfer

Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel (Archivaufnahme).
© APA/GEORG HOCHMUTH

Der ehemalige ÖVP-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel will wenig mit dem Niedergang der Hypo Alpe Adria zu tun gehabt haben. Mehrfach betonte der Kanzler, nicht informiert gewesen zu sein. Nach Schüssel sagte auch Ex-Hypo-Investor Tilo Berlin aus.

Wien, Klagenfurt – Selbstbewusst und teilweise belehrend ist der Auftritt von ÖVP-Altkanzler Wolfgang Schüssel bei seiner Erstbefragung durch Verfahrensrichter Walter Pilgermair im parlamentarischen Hypo-Untersuchungsausschuss am Mittwoch gestartet. Der Ex-Politiker wies Pilgermair öfters darauf hin, er müsse konkreter oder anders fragen. „Stellen Sie die Frage präzise“, forderte Schüssel etwa.

Während der Befragung kam öfters zur Sprache, dass Schüssel in seiner Funktion als Bundeskanzler nicht in die Causa involviert gewesen sei. Team Stronach-Abgeordneter Robert Lugar beschuldigte den Schüssel daraufhin, ein „Frühstückskanzler“ gewesen zu sein. Dieser antwortete kühl: „Sicher hab‘ ich gefrühstückt“. An einer anderen Stelle sagte er zu Lugar, als dieser ihn mit „Herr Schüssel“ anredete: „Für Sie Doktor Schüssel.“

Allgemein sah Schüssel während seiner Amtszeit nur wenige Alarmzeichen bei der früheren Hypo Alpe Adria. „Heute wissen wir, da war vieles auf Sand gebaut,“ räumte der ehemalige Regierungschef jedoch ein.

Spaziergang mit FMA-Vorständen für Schüssel unwichtig

Ein nach entsprechenden Zeugenaussagen medial öfters beleuchteter Spaziergang Schüssels mit ehemaligen FMA-Vorständen 2006, bei dem der Altkanzler die Warnung erhalten haben soll, die Hypo sei „wie ein Sportflugzeug im Nebel“ unterwegs, spielte der Altkanzler herunter. Er habe sich bei Kurt Pribil und Heinrich Traumüller im Lichte der BAWAG-Krise und Berichten der Financial Times („FT“) lediglich über den Zustand der heimischen Bankenlandschaft erkundigt. Traumüller und Pribil hätten ihm gesagt, sie hätten „alles unter Kontrolle“, es gebe „Probleme mit einzelnen Banken und ein Amtsenthebungsverfahren gegen Hypo-Vorstände“. „Mehr war nicht“, so Schüssel zu Pilgermair.

Zu Beginn seiner Amtszeit „war die Hypo eigentlich eine Erfolgsgeschichte“ - bis eben die Swapverluste „aufgeflogen“ seien. Befragt zu den persönlichen Informationen, die er, Schüssel, zur Hypo gehabt habe, strich der Altkanzler die Einführung der weisungsfreien und unabhängigen Finanzmarktaufsicht hervor. Die FMA unterliege strikter Verschwiegenheit gegenüber Außenstehenden. Auch kritische Prüfberichte der Notenbank seien vertraulich. Einen Ministerratsbeschluss, der die Entscheidung des Kärntner Landtages zu den Landeshaftungen ohne Beschränkungen 2004 gebilligt hatte, verteidigte Schüssel. Die zuständigen Ressorts hätten keine Einwendungen gehabt, also sei der Beschluss in der Bundesregierung einstimmig erfolgt.

„Show“ vs. Aufklärung

Der frühere Kanzler wurde von der Opposition geladen, weil er über Gefahren mit der früheren Hypo Alpe Adria Bescheid gewusst habe. ÖVP-Fraktionsführerin Gabriele Tamandl sprach im Vorfeld von einer „Show“. „Natürlich will die ÖVP nicht, dass die Verantwortung der ÖVP ans Tageslicht kommt“, meinte Robert Lugar vom Team Stronach. „Im Gegenteil, die ÖVP möchte alles restlos aufklären“, konterte Tamandl auf Nachfrage.

Schüssel in Zitaten: „Für Sie Herr Doktor“

„Hören Sie, ich war damals EU-Präsident. Ich weiß gar nicht, wo ich da genau herumgekurvt bin in der Weltgeschichte.“ - Schüssel zum ersten Halbjahr 2006, als Österreich den EU-Vorsitz innehatte, und Ende März die Hypo-Swapverluste öffentlich wurden - auf die Frage, wann er wie von den Verlusten erfuhr.

„Für Sie Doktor Schüssel.“ - Der Altkanzler zu Team-Stronach-Politiker Robert Lugar, der den „Doktor“ in der Anrede Schüssels vergaß.

„Fragen Sie präzise.“ - Schüssel zu Verfahrensrichter Walter Pilgermair.

„Die Bayern waren massiv daran interessiert, die Hypo zu kaufen. Gerade weil es ein gewisses Problem gab mit Swapverlusten, war das sinnvoll.“ - Schüssel zur „Schieflage der Hypo, die damals (2006, Anm.) nach bestem Wissen und Gewissen nicht erkennbar war“.

„Ich weise es zurück, wenn Sie behaupten, mir ist etwas egal.“ - Schüssel wieder zu Lugar.

„Es ist nicht so, dass der Bund haftet für die Bundesländer. Das ist ganz klar geregelt.“ - Schüssel ungefragt zur Verfassung Österreichs.

„Da brauche ich keinen Geheimdienst, um das zu wissen.“ - Schüssel zu NEOS-Mandatar Rainer Hable, als dieser in seiner Befragung rund um etwaige Geheimdienstberichte zur Hypo darauf hinwies, dass Schüssel von 2000 bis 2007 Bundeskanzler war.

„Es war schon ein gemeinsamer Plan natürlich, eine Finanzmarktaufsicht mit Zähnen zu schaffen.“ - Schüssel zur Frage, inwieweit er bei der Schaffung der FMA involviert war.

Grüne, NEOS und Team Stronach hatten mehr Aufklärungsinteresse bei Schüssel. Sie brachten diesen dazu, mit Blick auf die Aufsichtsbehörden – von denen die FMA in Schüssels Amtszeit gegründet worden war – zu sagen: „Ich will das nicht heiligsprechen. Es sind auch absolute Fehler passiert.“ Der Ex-Kanzler fügte aber auch an: „Erstverantwortlich sind aber Wirtschaftsprüfer und Aufsichtsrat.“

In Schüssels Amtszeit fielen die massive Expansion der Bank und dubiose Kreditvergaben unter fehlendem Risikomanagement, betonte Rainer Hable von den NEOS. Man habe Berichte des deutschen Nachrichtendienstes zur Hypo, der kroatische habe die Bank gar als „Geldwaschmaschine“ bezeichnet – nur die österreichischen Nachrichtendienste hätten offenbar nicht recherchiert, habe man doch keine Akten erhalten, zeigte Hable einen blanken Zettel in die Kameras.

Tilo Berlin mit widersprüchlichen Aussagen

Der ehemalige Hypo-Chef und -Investor Tilo Berlin sieht sich in der Skandal-Causa als Opfer und ist sich keiner Mitschuld bewusst. Weder mit seiner Investorengruppe noch als Vorstand der Hypo Alpe Adria (Juni 2007 - April 2009) habe er sich etwas zuschulden kommen lassen, sagte Berlin am Nachmittag vor dem U-Ausschuss.

Als Hypo-Chef fühlte sich Berlin - wegen Nebenabreden zu Vorzugsaktien nicht rechtskräftig auch zu mehr als zwei Jahren Haft verurteilt - beim Erlangen des staatlichen Partizipationskapitals 2009 von der Hypo-Mutter BayernLB benutzt. Hinter seinem Rücken hätten die Bayern das Aus der Balkanstrategie geplant, ihn und den weiteren Vorstand Wolfgang Peter praktisch vorgeschickt, um zu verhandeln. Erst nach dem Jahreswechsel 2008/2009 habe er vom BayernLB-Chef Michael Kemmer von der Strategieänderung erfahren. Als Hypo-Investor sei er zuvor mit einem „falschen“ Hypo-Jahresabschluss auch hinter das Licht geführt worden.

Berlin hatte mit teils widersprüchlichen Aussagen zu seiner Rolle als Hypo-Investor im U-Ausschuss für Aufsehen gesorgt. Er verneinte zunächst auf Nachfrage, dass er beim von ihm eingefädelten Hypo-Einstieg selbst investierte hätte, verwies dann aber auf ein Investment der Berlin & Co, an der er 30 Prozent hielt.

Im Verlauf seiner Befragung hatte sich Berlin - wie schon viele Zeugen vor ihm - immer weiter in eine Opferrolle begeben. So sagte der Finanzinvestor, dass er „viel dafür geben“ würde, „hätte ich die Bank nie gekauft“. Er hoffe, dass das Drama bald zu Ende sei. Der Rechtsstreit mit der Hypo-Abbaugesellschaft Heta beschäftigt Berlin. Er habe von Heta „viele Klagen am Hals“. „Freunde sind das leider nicht zur Zeit“, so Berlin Richtung Heta.

Berlin wies bei seiner Befragung darauf hin, dass sein Nachfolger als Hypo-Chef Franz Pinkl einen Bonus dafür erhalten habe, nachdem die Bank verstaatlicht wurde. Dies sei ein „Mosaik-Stein“, den er für „bemerkenswert“ halte. Er habe einen Bonus erhalten, dass er der Republik Österreich „eine marode Bank angedreht“ habe.

Dobernig dürfte vor Ausschuss erscheinen

Der für morgen (Donnerstag) zum dritten Mal in den U-Ausschuss geladene freiheitliche Kärntner Ex-Politiker Harald Dobernig hat indes eine neue Vertrauensperson genannt. Morgen will Dobernig nach APA-Informationen mit Anwalt Leopold Wagner erscheinen. Dieser betreibt eine gemeinsame Kanzlei mit dem als Vertrauensperson ausgeschlossenen Franz Großmann.

Immerhin deutete die Nennung der neuen Vertrauensperson seitens Dobernigs Mittwochabend darauf hin, dass er morgen tatsächlich kommt. Der frühere Kärntner Finanzlandesrat und Hypo-Aufsichtskommissär wurde auch schon mit einer Beugestrafe über 3.000 Euro belegt, da er einmal nicht gekommen war. Zuvor war er wegen des Ausschlusses Großmanns bereits einmal unverrichteter Dinge aus dem U-Ausschuss abgezogen. Ihm drohte bei einem Nicht-Kommen morgen eine polizeiliche Vorführung.

Erst am Mittwochvormittag hatte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) eine Beschwerde Dobernigs gegen seine neuerliche Ladung vor den Hypo-Untersuchungsausschuss zurückgewiesen. Das heißt, Dobernig hat seiner Ladung in den U-Ausschuss Folge zu leisten, auch wenn seine ursprüngliche Vertrauensperson ausgeschlossen wurde. Zu einer weiteren Beschwerde Dobernigs beim VfGH, die grundsätzlich den Ausschluss Großmanns betrifft, ist noch ein Verfahren beim Höchstgericht anhängig. (tt.com/APA)

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