Regisseur Parizek 2 - „Dieses Land scheint unbelehrbar“

Wien (APA) - APA: Der aus Düsseldorf übernommene „Nora hoch drei“-Abend wird bereits sehr erfolgreich in Wien gespielt, nun kommen zwei neue...

Wien (APA) - APA: Der aus Düsseldorf übernommene „Nora hoch drei“-Abend wird bereits sehr erfolgreich in Wien gespielt, nun kommen zwei neue Arbeiten von Ihnen.

Dusan David Parizek: Wir liegen mit unserer dramaturgischen Entscheidung für Ibsen, Jelinek, Bernhard und Handke künstlerisch wahrscheinlich nicht falsch; diese Autoren sollten in Wien in textkritischen Inszenierungen dem Publikum angeboten werden. In gesellschaftspolitischer Hinsicht haben wir während der Proben aber alle Texte noch einmal eingehend prüfen müssen. Es wäre ärgerlich, wenn wir die Möglichkeit verpassen, auf aktuelle Fragestellungen einzugehen. Das ist das schwierige an Stadttheater - es plant manchmal so weit im Voraus, dass es von der Gegenwart ein- und überholt zu werden droht...

APA: „Alte Meister“ gilt als eines der Meisterwerke von Thomas Bernhard. Was reizt Sie besonders an diesem Roman?

Parizek: Es ist einerseits Bernhards Bekenntnis zur Entschleunigung, zur Konzentration, das mich fasziniert. Als er Sätze wie „wer alles liest, hat nichts begriffen“ formulierte, konnte er von der Reizüberflutung unseres Zeitalters der digitalen Demenz noch gar nichts wissen. Wir fühlen uns in der Lage, uns zu allem zu äußern - dabei reden wir oft nur stundenlang, ohne ein einziges relevantes Wort zu sagen. Wir plappern nach. Genau das prangert Bernhard in den „Alten Meistern“ an, indem er sich für die Wahrnehmung von Details ausspricht. Aber das ist nur eine - formale - Seite des Romans. Auf der anderen setzt er sich mit Fragestellungen auseinander, die weit über ihren Entstehungskontext hinaus wirken können. Bernhards Kritik an einem ewig gestrigen Österreich, in dem zum Beispiel Kurt Waldheim zum Bundespräsidenten gewählt werden konnte, ist, wie die jüngere Vergangenheit und Gegenwart zeigen, alles andere als überholt. Auf die Waldheims und Haiders folgen die Straches, dieses Land scheint unbelehrbar. Vielleicht reizt mich gerade das am meisten: zu zeigen, dass dieser von seinem Autor im Untertitel als „Komödie“ bezeichnete Roman mittlerweile als echter Klassiker in den Kanon der engagierten österreichischen Theaterliteratur gerechnet werden muss. Er ist nach wie vor auf Österreich anwendbar.

APA: Die Dramatisierung von „Alte Meister“ hat aber auf den ersten Blick zwei Probleme: Es geht immer wieder um ein bestimmtes Tintoretto-Gemälde, und es gibt praktisch keine Handlung, sondern einen ständigen Gedankenfluss. Wie gehen Sie mit diesen Ausgangspunkten in Ihrer Bühnenfassung um?

Parizek: Es geht um die Betrachtung von Kunst, durch die der Betrachter auf sich selbst blickt - es geht nicht um das Betrachtete, sondern um das Betrachten! Der Roman ist ein Plädoyer für die Konzentration, für die tatsächliche Wahrnehmung, für die Auseinandersetzung mit dem Detail, für die Anteilnahme. Ein Plädoyer gegen Oberflächlichkeit und Gleichgültigkeit. Gleichzeitig gibt sich Bernhard in diesem Text im besten Sinne des Wortes eine Blöße: Er schreibt sich den Verlust seines Lebensmenschen Hedwig Stavianicek von der Seele. Die Misanthropie der Hauptfigur Reger erscheint durch die Auseinandersetzung mit Verlust, Alter und Vereinsamungsangst auf überaus verständliche Weise motiviert. Dass Reger den Museumswärter Irrsigler zu einem Sprachrohr seiner eigenen Ideen macht, um ihn zu einem künftigen Ansprech- und Dialogpartner zu erziehen, ist eine dramatische Grundsituation in Reinkultur. Bernhards Alter Ego schafft sich ein Alter Ego. In dieser erlesenen Gesellschaft kann dann ein Endspiel beginnen, wie es auch Beckett hätte erfinden können.

APA: Und dann wartet ja noch Handkes „Selbstbezichtigung“ auf Sie. Wird das ein Monolog für Stefanie Reinsperger, der „Schauspielerin des Jahres“?

Parizek: Monologe kann ich nicht. Wir hoffen auf zahlreiche Zuschauer, die sich auf den Weg nach Margareten machen, um Stefanie Reinsperger im Volx, dem ehemaligen Theater im Hundsturm, aus der Nähe sehen zu können. Wir werden versuchen, jeden einzelnen von ihnen durch Peter Handkes Text in einen Dialog zu verwickeln...

(Die Fragen stellte Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - www.volkstheater.at)