Russland-Botschafter: Sanktionen verhängen ist leicht, aufheben nicht
Wien (APA) - Trotz der international begrüßten jüngsten Fortschritte bei der Umsetzung des Friedensabkommens in der Ukraine ist der neue rus...
Wien (APA) - Trotz der international begrüßten jüngsten Fortschritte bei der Umsetzung des Friedensabkommens in der Ukraine ist der neue russische Botschafter in Wien Dmitrij Ljubinskij wenig optimistisch, dass die gegen Russland verhängten EU-Wirtschaftssanktionen bald aufgehoben werden. Österreich bescheinigt er im APA-Interview aus Sicht Russlands eine „sehr verantwortungsvolle Linie in der Außenpolitik“.
Aber es werde nicht von Österreich abhängen, wann die Sanktionen abgeschafft werden. „Es ist sehr einfach die Sanktionen einzuführen, aber um sie wieder aufzuheben, braucht man Einstimmigkeit und nicht alle Partner in der EU sind bereit dieser Linien zu folgen“, beklagte Ljubinskij, der am Mittwoch offiziell sein Amt als neuer diplomatischer Vertreter Russlands in Wien angetreten hat. Nötig sei „eine 100-prozentige Erfüllung der Minsker Vereinbarung „das kann Russland allein nicht schaffen.“
Die EU hat die Aufhebung der im Ukraine-Konflikt gegen Russland verhängten Wirtschaftssanktionen an die vollständige Umsetzung des Minsker Waffenstillstandsabkommens geknüpft. Zum Jahresende soll je nach Entwicklung geprüft werden, ob die Sanktionen schrittweise aufgehoben werden. Mit der Verschiebung der nicht anerkannten Kommunalwahlen in der Ostukraine durch die Separatisten ist am Dienstag ein wichtiger Fortschritt gelungen.
Die Minsker Vereinbarung bestehe aus zahlreichen Punkten, die alle erfüllt werden müssten, betonte der Botschafter. Dabei sei Russland gar „keine Seite des Konflikts“, da dieser zwischen der Regierung in Kiew und den Separatisten in den Regionen Donezk und Luhansk (Lugansk) ausgetragen werde, wiederholte Ljubinskij die offizielle russische Position. „Um Walzer zu tanzen, sind zwei Partner nötig und Russland ist nicht der Partner“, so der Diplomat. Moskau habe zwar einen gewissen Einfluss auf die Separatisten im Osten der Ukraine, aber sei nicht die entscheidende Kraft, „man kann entweder auf uns hören oder auch nicht“. Trotzdem werde immer Russland beschuldigt, wenn die Vereinbarungen nicht komplett erfüllt seien. „Das ist eine verkehrte Logik“, so Ljubinskij.
Österreich, das die Wirtschaftssanktionen gegen Russland und deren Verlängerung mitbeschlossen hat, gewinnt aus Sicht Russlands immer mehr an „Verständnis, was sich in der Ukraine wirklich abspielt.“ Wien verfolge eine „sehr verantwortungsvolle Linie in der Außenpolitik“, so Ljubinskij. In Bezug auf die Wirtschaftssanktionen habe Moskau Verständnis, „dass Österreich eine Verantwortung in der EU trägt und der gemeinsamen außenpolitischen Linie folgen muss, aber trotzdem gibt es Schattierungen.“ Auch innerhalb Österreichs gebe es sehr viel Kritik und Skepsis der EU gegenüber. „Für uns ist sehr wichtig, dass viele Bürger und vor allem Geschäftsleute befinden, dass die heutige problematische Situation in den Beziehungen zwischen der EU und Russland keinem nutzt.“
Kontakte zur FPÖ, die sich im Ukraine-Konflikt klar auf die Seite Russland gestellt hat, hat der neue Botschafter, der seit einem Monat in Wien ist, bisher nach eignen Angaben nicht gehabt, will er aber für die Zukunft nicht ausschließen. „Das sind alles demokratische Parteien, die im Parlament vertreten sind und ich fände es falsch auf solche Kontakte zu verzichten,“ so Ljubinskij. Die FPÖ sei aber nicht die einzige politische Kraft in Österreich, die sich für eine positive Entwicklung der bilateralen Beziehungen zu Russland einsetze, so der Diplomat. „In Österreich gibt es keine politische Kraft, die irgendwie auch nur milde anti-russisch gestimmt wäre.“ Moskau wolle mit allen politischen Kräften Dialog führen und unterstütze alle positiven Initiativen, egal von welcher politischen Richtung sie kämen.
Sorgen, dass ehemalige Aktionäre des russischen Energiekonzerns Yukos auch in Österreich versuchen könnten, russisches Vermögen gerichtlich beschlagnahmen zu lassen, hat der Botschafter keine. „Alle bisherigen Versuche waren nicht erfolgreich“, erklärte er. Daher erwarte er, dass es in Österreich gar nicht zu derartigen Sperrungen von Konten kommen werde. „Staatseigentum ist Staatseigentum, wir sind sehr zuversichtlich, dass, wenn es derartige Versuche geben sollte, wir vom österreichischen Außenministerium die nötige Unterstützung bekommen,“ so Ljubinskij.
In Belgien hatten die Ex-Yukos-Aktionäre zunächst die Sperrung russischer Konten erreicht. Nach russischen Protesten hatte im Juni Belgien die eingefrorenen Mittel jedoch schnell wieder freigegeben.
Mit dem 47-jährigen Dmitri Ljubinskij übernimmt erstmals ein Vertreter der Perestrojka-Generation die Leitung der russischen Botschaft in Österreich. Der Diplomat hatte während der Reformpolitik Gorbatschows an der Moskauer Diplomatenhochschule MGIMO studiert und war seit seinem Studienabschluss 1989 im sowjetischen und anschließend im russischen Außenministerium tätig. Seit 2010 leitete er im Ministerium die 3. Europäische Abteilung, die auch für Österreich zuständig ist. Bereits zwischen 2005 und 2008 war Ljubinskij, der ausgezeichnet Deutsch spricht, als Gesandter an der russischen Botschaft in Wien.
(Das Gespräch führt Judith Egger/APA)
(Alternative Schreibweisen: Dmitri Ljubinski, Dmitry Lyubinskiy)