Flüchtlingskrise

Mission „Sophia“: EU geht mit Kriegsschiffen gegen Schlepper

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Mit dem Start der zweiten Phase ihres Militäreinsatzes verschärft die Europäische Union ihren Kampf gegen Schlepper im Mittelmeer. Ab sofort sollen auch Marineschiffe Jagd auf Menschenschmuggler machen.

Rom – Die EU hat ihr Vorgehen gegen Schlepper im Mittelmeer verschärft und geht ab sofort mit Kriegsschiffen gegen Schlepperbanden vor. Die zweite Phase der Marinemission „Sophia“ startete am Mittwoch, wie der italienische Admiral und Kommandant des EU-Einsatzes, Enrico Credendino, verkündete. Sie erlaubt EU-Kräften, Schiffe im Verdachtsfall anzuhalten, zu durchsuchen und zu beschlagnahmen.

Insgesamt nehmen 22 EU-Staaten an dem Einsatz teil, Österreich ist nicht darunter. Deutschland steuert zwei Schiffe bei, die anderen Kriegsschiffe kommen aus Italien, Spanien, Frankreich und Großbritannien. Außerdem sind Hubschrauber, Drohnen und Flugzeuge im Einsatz. Die Dauer des Einsatzes ist vorerst für ein Jahr geplant.

In einer ersten Phase der Operation ging es seit Juni darum, über Luft- und Satellitenbilder Informationen über die Schlepperbanden zu sammeln. Dabei wurden 16 mutmaßliche Menschenschmuggler festgenommen. Vor allem aber konnten mehr als 3.000 Flüchtlinge im Mittelmeer gerettet werden, die meisten von seeuntauglichen Schlauchbooten. Die Seenotrettung bleibt weiterhin Bestandteil der Mission. Der Militäreinsatz ist allerdings auf internationale Gewässer beschränkt.

Die Überlegungen der EU beinhalten auch eine mögliche dritte Phase, in der dann alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, die Boote und Einrichtungen der Schlepper zu beseitigen bzw. zu zerstören. Dazu wäre allerdings die Zustimmung des UNO-Sicherheitsrats oder der Regierung Libyens notwendig, weil die Schiffe damit in libysches Gewässer eindringen müssten. Beides ist nicht in Sicht. Ein Mandat durch den Sicherheitsrat scheitert wahrscheinlich an der fehlenden Zustimmung Russlands.

Ende September wurde der EU-Einsatz von EUNAVFOR Med auf „Sophia“ umbenannt - nach dem Namen eines Flüchtlingsmädchens, das auf dem deutschen Marineschiff „Schleswig-Holstein“ geboren worden war. Die aus Somalia stammenden Eltern des Babys wurden am 22. August vor der Küste Libyens gerettet.

Umstrittene Operation

Ob „Sophia“ im Kampf gegen die Schlepperkriminalität Fortschritte bringt, ist umstritten. In einem internen EU-Papier zur Operation weisen Experten darauf hin, dass Migranten künftig in andere Regionen ausweichen könnten, um dann von dort in die EU zu kommen. Militärs machten zudem bereits vor Monaten deutlich, dass Unfälle und sogar Todesfälle bei den Einsätzen auf Hoher See nicht ausgeschlossen werden können.

Nach Recherchen von „Frontal 21“ hat die deutsche Marine zudem im aktuellen EU-Militäreinsatz deutlich weniger Flüchtlinge aus Seenot gerettet als zuvor im nationalen Einsatz. Im EU-Einsatz seien es in 14 Wochen knapp 2500 Flüchtlinge gewesen, berichtete das ZDF-Magazin. Zuvor habe die deutsche Bundeswehr im nationalen Einsatz knapp 5.700 Menschen in einem deutlich kürzeren Zeitraum gerettet.

Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) kamen seit Jahresbeginn insgesamt 564.031 Menschen nach Spanien, Malta, Italien und Griechenland über das Mittelmeer (Stand 6. Oktober). Dabei kamen 2.988 Menschen ums Leben, 2.703 davon zwischen Libyen bzw. Tunesien und Italien/Malta.

Österreich durchquerten im September knapp 200.000 Flüchtlinge. Lediglich rund 10.000 Menschen stellten nach Angaben des Innenministeriums vom Mittwoch einen Antrag auf Asyl. Ein Großteil der Menschen reiste nach Deutschland bzw. in die nordischen Länder weiter. (APA/AFP/dpa/Reuters)

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