Mit Moskaus und Teherans Hilfe: Syriens Assad geht in die Offensive

Moskau/Teheran (APA/dpa) - Kafr Nabudah in Syrien ist kein Ort, der es bisher zu Berühmtheit gebracht hätte. Am Mittwoch aber verbreiteten A...

Moskau/Teheran (APA/dpa) - Kafr Nabudah in Syrien ist kein Ort, der es bisher zu Berühmtheit gebracht hätte. Am Mittwoch aber verbreiteten Anhänger der syrischen Rebellen im Internet mehrere Videos aus dem Dorf im Nordwesten des Landes.

Explosionen sind zu hören, das Feuer von Maschinengewehren, Rauchsäulen steigen auf. „Hier gibt es heftige Kämpfe“, berichtet ein Rebell in einem der Filme. Mithilfe der russischen Luftwaffe versuchten Anhänger des Regimes, den Ort zu stürmen. „Aber wir haben bisher mehr als drei Panzer zerstört.“

Die Bodenoperation der syrischen Armee in Kafr Nabudah und anderen Orten nördlich der Stadt Hama war keiner der üblichen Angriffe in dem mehr als vierjährigen Bürgerkrieg - vielmehr sah es so aus, als hätten die Truppen von Machthaber Bashar al-Assad am Mittwoch eine länger geplante Großoffensive begonnen. Nach Angaben von Aktivisten flogen zunächst russische Jets Angriffe auf mehrere Orte, dann stießen Regimeanhänger aus unterschiedlichen Richtungen auf die Rebellen vor.

Schon seit Tagen hatte es Gerüchte über eine bevorstehende Offensive am Boden gegeben. Unterschiedliche Quellen meldeten, Tausende Kämpfer der iranischen Revolutionsgarden und der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah seien zur Unterstützung Assads nach Syrien verlegt worden. Vieles spricht sogar dafür, dass es Iraner sind, die den Angriff führen. Darüber gebe es glaubwürdige Informationen, sagt Osama Abu Zayd (Seid), Militärberater der oppositionellen Freien Syrischen Armee (FSA).

Dass Assads Truppen in die Offensive gehen können, hat der Machthaber Moskau und Teheran zu verdanken, Syriens treuesten Verbündeten. Sie wollen unbedingt einen Sturz des Regimes und den Verlust ihres Einflusses auf die Region verhindern. Würde der Iran Assad nicht schon seit langem mit Öl, Milliardenkrediten und militärischer Hilfe unterstützen, hätte der Präsident wohl längst das Ende seiner Regentschaft erlebt. Syriens Armee ist nach vier Jahren Gefechten zu ausgelaugt, um allein noch entscheidend an Boden gewinnen zu können.

Seit Moskau vor einer Woche die Luftangriffe in Syrien begonnen hat, kristallisieren sich auch immer klarer die Ziele dieser Militärintervention heraus. Zwar behauptet der Kreml nach wie vor, die Bombardierungen sollten die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) bekämpfen, doch sind sich die meisten Syrien-Experten mittlerweile einig: Moskau will vor allem dem Regime dabei helfen, gegen andere Gegner vorzugehen, um Assads Macht zu sichern.

So flogen die russischen Jets bisher die meisten Luftangriffe auf Gebiete unter Kontrolle von Rebellen, die sowohl Assads Anhänger als auch den IS bekämpfen. Auch die Bodenoffensive richtet sich gegen solche Kräfte. Das Gebiet nördlich von Hama wird von einem Bündnis verschiedener Gruppen beherrscht. Dazu zählen neben moderaten Einheiten wie Brigaden der FSA auch die radikale Al-Nusra-Front, syrischer Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida - im Sprachgebrauch des Regimes allesamt „Terroristen“ ohne jegliche Legitimation.

Im Frühjahr hatte dieses Bündnis mit dem Namen Jaish al-Fatah dem Regime eine schwere Niederlage beigebracht und fast die gesamte Provinz Idlib erobert. Seitdem bedrohen die Rebellen den Streifen um die Küstenstadt Latakia, eine wichtige Assad-Hochburg, nicht nur, weil die Herrscherfamilie von hier kommt. Latakia ist so bedeutend für das Regime, dass es sogar schon Gerüchte gab, die Regierung könnte hierher verlegt werden, falls Damaskus nicht mehr sicher ist. Sollte Latakia fallen, wäre das Regime wohl nicht mehr zu halten.

Kann die Offensive den Bürgerkrieg zugunsten Assads wenden? Daran gibt es Zweifel. Die Rebellen sind erfahrene Kämpfer, die allermeisten von ihnen Syrer, die um ihre Heimat kämpfen und dementsprechend motiviert sind. Sie beherrschen konventionelle Kriegsführung genauso wie Guerilla-Taktiken, sagt Militäranalyst Riad Chawaji. „Das wird für die Russen und ihre Verbündeten kein einfacher Ritt. Sie mögen die Rebellen zurückdrängen können. Aber werden sie die Gebiete in einer feindlichen Umgebung halten können?“

Zudem ist es wahrscheinlich, dass Saudi-Arabien, Katar und die Türkei als treueste Verbündete der Rebellen den Entwicklungen in Syrien nicht tatenlos zuschauen werden. Vielmehr könnte Russlands Eingreifen die Regierungen der drei Länder dazu verleiten, ihre Unterstützung für die Regimegegner aufzustocken. Sollte das passieren, dürfte der Bürgerkrieg in Syrien bald noch blutiger werden. Chawaji jedenfalls ist sich sicher: „Die heutigen Kämpfe sind nur eine Phase eines viel längeren und größeren Konflikts.“