Französische Elite-Hochschule ENA wird 70
Paris (APA/AFP) - Frankreichs Staatschef Francois Hollande drückte hier die Schulbank, ebenso eine Reihe seiner Minister und zwei seiner Vor...
Paris (APA/AFP) - Frankreichs Staatschef Francois Hollande drückte hier die Schulbank, ebenso eine Reihe seiner Minister und zwei seiner Vorgänger. Doch nicht nur in der Politik, auch an der Spitze französischer Behörden und Konzerne sitzen die Absolventen der Verwaltungshochschule ENA.
Seit ihrer Gründung vor 70 Jahren hat sich die Elite-Hochschule zur wichtigsten Kaderschmiede der Republik entwickelt, zum Sprungbrett für steile Karrieren. Für viele aber ist die Ecole nationale d‘administration Sinnbild einer verkrusteten Politelite, der es an Mut und neuen Ideen fehlt.
Denn den ENA-Absolventen haftet der Ruf an, farblose Karriere-Technokraten zu sein und eine weltfremde Führungskaste zu bilden, die auf Einheitsdenken getrimmt ist und von den Sorgen der Menschen im Land wenig bis gar nichts versteht. Immer wieder wurden sogar Rufe laut, die ENA dicht zu machen.
„Die ENA ist eine sehr anspruchsvolle Schule, und man lernt hier sehr konkrete Fähigkeiten“, verteidigt Felix Blossier die Hochschule. Der 25-Jährige studiert derzeit an der ENA, die 1991 im Zuge der Dezentralisierung von der Hauptstadt Paris ins elsässische Straßburg umzog. Zwei Jahre lang wird er auf eine Laufbahn in der höheren Verwaltung vorbereitet, muss in Rollenspielen Krisenszenarien lösen und wird in Behörden in der Provinz geschickt, um den Bürokratie-Alltag aus nächster Nähe kennenzulernen. „Das ist die beste Art zu lernen“, sagt Blossier.
Um an die ENA zu gelangen, musste sich der 25-Jährige einem harten Aufnahmeverfahren stellen, bei dem kräftig ausgesiebt wird: Auf 80 Plätze kommen rund 1.500 Bewerber. Die Plätze werden in einem offenen Wettbewerb vergeben, bei dem nur die eigene Leistung zählt. Das ist eines der Grundprinzipien der ENA seit ihrer Gründung am 9. Oktober 1945: Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte eine neue Generation französischer Spitzenbeamten herangezogen werden, die nicht aufgrund von Beziehungen oder der Verdienste der Eltern in hohe Posten gelangen.
„Das ist ein Trumpf, den viele andere Länder nicht haben“, sagte ENA-Leiterin Nathalie Loiseau. Doch natürlich spielt die Herkunft immer noch eine große Rolle.
70 Prozent der Studenten haben einer Untersuchung zufolge einen Vater in einer hohen beruflichen Stellung. Loiseau sieht darin aber ein Problem des französischen Bildungssystems insgesamt: „Es ähnelt mehr einem Trichter als einem Aufzug, und wir stehen am Ende des Trichters.“ Ohne eine hervorragende Schulbildung schafft es keiner an die ENA, und die meisten Studenten haben vorher die Elite-Politikhochschule Sciences Po absolviert.
So herrscht in Frankreich ein relativ geschlossenes Eliten-System weiter - zumal die „Enarchen“ stets zusammenhalten. Staatschef Hollande ist da das beste Beispiel. Der Sozialist hat gleich eine ganze Reihe von Vertrauten um sich gescharrt, die er aus ENA-Zeiten kennt: Im berühmt gewordenen Jahrgang „Voltaire“ lernte er Segolene Royal kennen, seine langjährige Lebenspartnerin und heutige Umweltministerin. Sein Finanzminister Michel Sapin gehörte dem gleichen Jahrgang an, ebenso sein Generalsekretär im Elysee-Palast, Jean-Pierre Jouyet.
Vor Hollande hatten schon die früheren Staatschefs Valery Giscard d‘Estaing und Jacques Chirac die ENA besucht, aus der auch für ausländische Studenten offenen Verwaltungshochschule gingen zudem sieben Premierminister hervor. Die ENA gilt also zurecht als „Schule der Macht“ - will aber keine „Politiker-Fabrik“ sein. Nur rund ein Prozent ihrer Absolventen, so wird in Straßburg betont, würden letztlich in der großen Politik landen.
Mit Reformen will ENA-Leiterin Loiseau die Elite-Hochschule weiterentwickeln und für neue Studenten öffnen. Das Kurssystem soll an die neuen Herausforderungen einer globalisierten und zunehmend digitalisierten Welt angepasst werden, modernes öffentliches Management und Innovationen sollen im Lehrplan eine größere Rolle spielen. So dürfte die ENA - trotz aller Kritik - noch lange Frankreichs große Kaderschmiede bleiben.