Wie viel Nobel steckt im Friedenspreis? Buch kritisiert Vergabepraxis
Wien/Oslo (APA) - Der Friedensnobelpreis ist die wohl angesehenste Auszeichnung der Welt - eine Art moderner Heiligenschein. Doch so manche ...
Wien/Oslo (APA) - Der Friedensnobelpreis ist die wohl angesehenste Auszeichnung der Welt - eine Art moderner Heiligenschein. Doch so manche Entscheidung der Preisverleiher in den vergangen Jahren sorgte für Erstaunen: Als Friedensfürst wurde mit US-Präsident Barack Obama 2009 etwa der Oberbefehlshaber des mächtigsten Heeres der Welt geehrt.
Ein neues Buch des Journalisten Emil Bobi wirft einen Blick hinter die Kulissen des Friedenspreises. Der langjährige „profil“-Autor kommt dabei zu einem aufsehenerregenden Schluss: Das norwegische Nobel-Komitee legt die Bestimmungen im Testament des Preisstifters Alfred Nobel allzu freizügig aus - und riskiert damit den guten Ruf der Auszeichnung.
Bobis Einführung in den Friedensnobelpreis, deren Erscheinen zeitlich gut mit der Bekanntgabe des diesjährigen Preisträgers am Freitag abgestimmt ist, setzt sich intensiv mit der Biografie des Preisstifters auseinander. Der Industrielle Nobel, der sein Vermögen mit dem Sprengstoff Dynamit verdiente und weltweit Rüstungsgüter verkaufte, entschloss sich erst kurz vor Ende seines Lebens dazu, den Friedenspreis zu stiften. Dazu bewegt haben soll ihn seine Lebensfreundin Bertha von Suttner, die österreichische Pazifistin, die den Preis 1905 selbst erhielt.
Problematisch für den heutigen Nobelpreis sind die Kriterien, die der Stifter für den Friedenspreis festlegte, schreibt Bobi. Im Testament heißt es, der Preis solle an eine Person gehen, die sich um die Verbrüderung der Nationen, den Abbau stehender Heere oder das Abhalten von Friedenskongressen verdient gemacht habe.
Das trifft so direkt nicht auf jeden Preisträger zu - man denke nur an die Preisträgerin im Vorjahr, die jugendliche Aktivistin Malala Yousafzai aus Afghanistan. Die Verleiher begründeten den Preis an Yousafzai damit, dass sie mit ihrem Engagement für die Rechte von Kindern und Jugendlichen zu einer friedlicheren Welt beigetragen habe. „Aber der Friedensnobelpreis ist ein Preis für Personen, die Armeen abgeschafft haben“, wendet Bobi ein.
Als Kronzeugen führt der Autor den norwegischen Juristen und Friedensaktivisten Fredrik Heffermehl ins Feld, der seit Jahren gegen die aus seiner Sicht problematischen Entscheidungen des Nobel-Komitees ankämpft. Heffermehl überlegt sogar rechtliche Schritte gegen die schwedische Nobel-Stiftung, da diese den letzten Willen des Stifters nicht durchsetze. Motiv für die angeblich nicht stifterkonformen Preisentscheidungen ist nach Darstellung von Bobi die Außenpolitik des NATO-Landes Norwegen. Das Parlament in Oslo bestimmt über die Zusammensetzung des Nobelpreis-Komitees. Für die Politiker und Ex-Politiker, die darin Platz nehmen, sei der „sentimentale, naive ‚Die Waffen nieder‘-Friede“ aus dem Testament von Alfred Nobel allzu pazifistisch und damit „absolut lebensgefährlich“, schreibt Bobi. Die Preisvergeber ließen sich allzu oft von ihrer prowestlichen, proamerikanischen Einstellung leiten, zitiert er die norwegische Friedensforscherin Ingrid Eide.
Ein durchaus schwerer Vorwurf. Doch eine genauere Untersuchung der Personen im Nobel-Komitee und ihrer politischen Ansichten bleibt Bobi schuldig, ebenso wie eine tief gehende Auseinandersetzung mit den Schriften Nobels und seinen möglichen Vorstellungen von der Auslegung seines Testaments. Die Meinung des Autors über den Preisstifter scheint sich im wesentlichen auf zwei aktuelle Biografien und ein Buch über Bertha von Suttner der Historikerin Brigitte Hamann zu stützen, die am Ende des Buches erwähnt werden. Primärquellen fehlen.
Länger ausgeführt wird dagegen ein juristisches Vorgehen gegen die Nobelpreis-Stiftung zu dem es noch kommen mag, oder nicht. Zu lesen gibt es auch ein Interview mit einem Nobelpreisträger der Chemie und mehrere Seiten eines Briefwechsels von Nobel mit seiner Geliebten Sophie Hess, die nur mehr oder weniger zum Thema beitragen. Am Ende bleibt der Eindruck eines Werkes, für das einzelne Puzzlestücke zum Preis und seinem Stifter mehr oder weniger passend zusammengestückelt wurden. Lesenswert ist das flott geschrieben Buch aber trotzdem.
(Emil Bobi, „Der Friedensnobelpreis. Ein Abriss“, Ecowin Verlag, 192 Seiten, 18,96 Euro)