Flüchtlingskrise, Heli-Debatte und Causa Mader im Tiroler Landtag
Ganz im Zeichen der Flüchtlingskrise steht heute die Sitzung des Tiroler Landtags. Die FPÖ warnt vor einem „Asylchaos“, die anderen Parteien sind für humanitäre Hilfe und Integrationsmaßnahmen.
Innsbruck – Aufhorchen lässt die grüne LHStv. Ingrid Felipe. Sie fordert ein rasches Ende der Kontrollen an den Grenzen zwischen Österreich und Bayern. „Diese Maßnahmen schaden nur der Wirtschaft sowie dem Tourismus und helfen weder den Menschen auf der Flucht noch den engagierten PolizistInnen, Rettungskräften, Sozial- und GesundheitsarbeiterInnen sowie den zahlreichen Freiwilligen bei der menschenwürdigen Bewältigung der aktuellen Herausforderung.“
In Anspielung auf die Ablehnung des sektoralen Lkw-Fahrverbots durch Bayern wünscht sich Felipe, dass der bayerische Innen- und Verkehrsminister Joachim Herrmann nicht mit unterschiedlichen Maßstäben messe. Das Fahrverbot sei im Gegensatz zu den bayerischen Grenzkontrollen nicht schädigend für die Wirtschaft: „Denn es erfolgt nicht überfallsartig, sondern ist gut vorbereitet, und wir bieten mit der Rollenden Landstraße ausreichende Ausweichkapazitäten an“, so Felipe.
Etwas anders gelagert war die Stimmung beim Bürgermeistertag auf der Innsbrucker Herbstmesse. Die Gemeinden seien in der Flüchtlingsfrage besonders gefordert. Nicht jede Gemeinde könne die notwendige Quote erfüllen, betonte Gemeindepräsident Ernst Schöpf. Er ist Bürgermeister von Sölden, das keine Flüchtlinge aufnehmen könne.
„Wir haben keine Leerstände.“ Schöpf appellierte an die Bürgermeister, Unterkünfte zur Verfügung zu stellen. „Wir sind in der Pflicht.“ Gemeindereferent Johannes Tratter warnte vor dem Durchgriffsrecht des Bundes. Der Bund kann auch gegen den Willen von Ländern und Gemeinden Unterkünfte für Asylwerber schaffen und hat das bereits gemacht. Allerdings nur in Bundesländern, die die Asylquote nicht erfüllen. „Tirol hat derzeit eine Quote von 93,8 Prozent“, warnte Tratter. Auch er rief die Bürgermeister dazu auf, Leerstände zu melden. (pn, aheu)
Aus dem Landtag
Heli-Debatte ließ Mandatare rotieren
Hubschrauber! Allein bei diesem Wort rotiert die gesamte Tiroler Landespolitik. So auch gestern im Landtag. Die Rotorblätter warf ÖVP-Landtagsvizepräsident Anton Mattle an, sein Chefpilot LH Günther Platter (VP) erklärte dann, warum der Ankauf eines zweiten Polizeihubschraubers um 2,5 bis vier Millionen Euro so wichtig für den Katastrophenschutz und Erkundungsflüge sei. „Dass der Standort Vomp für den Militärhubschrauber aufgelassen wird, ist eine Fehlentscheidung des Verteidigungsministers“, betonte Platter. Weil Liste-Fritz-Klubchefin Andrea Haselwanter-Schneider von einem Prestigeprojekt sprach, ging Platter verbal in die Luft. „Typisch Liste Fritz“, meinte er. Bereitschaftsverträge mit privaten Hubschraubern kommen für ihn nicht infrage. „Katastrophenschutz ist eine öffentliche Aufgabe.“ Das Angebot von SP-LA Georg Dornauer, noch einmal mit der rot-schwarzen Bundesregierung über Vomp zu verhandeln, lehnte Platter mangels Erfolgsaussichten ab. Schließlich blitzte selbst die SPÖ bei ihrem Verteidigungsminister Gerald Klug ab.
Auch beim Landeskulturfonds (LKF) ließ Dornauer nicht locker. Er nannte die Bauernbank ein undurchsichtiges Konstrukt und eine Geldentnahmequelle für einige wenige Bauern im Land. Er forderte die Auflösung des LKF. Agrarreferent LHStv. Josef Geisler (VP) verteidigte den Fonds. „Hier wird Klassenkampf betrieben. Alle Sozialpartner sind im Kuratorium vertreten, sämtliche Darlehensverträge werden genau begutachtet und in der Transparenzdatenbank veröffentlicht.“ Wirtschaft und Arbeitnehmer würden ebenfalls über Unterstützungsfonds verfügen.
Mit FPÖ-Chef Markus Abwerzger und Isabella Gruber (Liste Fritz) gibt es zwei neue Gesichter im Landtag. Ein alter Bekannter, nämlich BR Andreas Köll (VP), kehrt kurzfristig zurück. Er ersetzt den nach einer Kuhattacke schwer am Bein verletzten Osttiroler VP-Mandatar Martin Mayerl.
Selbstkritik im langen Schatten von Helmut Mader
2009 verließ er die Politik, 2010 erhielt er mit dem Ehrenring die höchste Landesauszeichnung und gestern kehrte Altlandtagspräsident Helmut Mader als Sinnbild für den tiefen moralischen Fall eines hochdekorierten Politikers in den Landtag zurück. Mader trug das Ehrenamt wie einen Bauchladen vor sich her, doch er kassierte dafür Geld. Die Tiwag gewährte ihm ab 2006 eine Firmenpension, obwohl er 1989 aus dem Unternehmen ausgeschieden ist. Zudem hat Mader ein lebenslanges Gratis-Wohnrecht in einer 188 Quadratmeter großen Wohnung. Wegen massiver Kritik trat er jetzt aus der ÖVP aus und gab die Auszeichnungen zurück.
Wie umgehen mit Mader und mit Orden für Politiker? Diese Frage drängte sich gestern beim einstimmigen Gesetzesbeschluss über die Rückgabe des Ehrenrings auf. FPÖ und Liste Fritz schlüpften dabei in die Rolle der Angreifer. Während ÖVP, SPÖ und Grüne vor allem einen Schaden für die gesamte Politik sehen, rückten FP-Chef Markus Abwerzger („Systemfehler in der ÖVP“) und Fritz-Klubchefin Andrea Haselwanter-Schneider („Zeigt das System ÖVP auf“) die Akzentuierung klar in Richtung Volkspartei. „Der Fall ist für ÖVP nicht angenehm, aber er schadet insgesamt der Politik“, entgegnete VP-Klubchef Jakob Wolf.
LA Thomas Pupp (SP) holte gar den verbalen „Bihänder“ der Selbstkritik hervor und erklärte, er kenne keine Branche, die sich so oft selbst ins Knie schieße wie die Politik. „Mader sollte uns alle beschäftigen, weil jede Partei größere und kleinere Leichen im Keller hat.“ Der grüne Klubchef Gebi Mair („Die Politik darf kein Selbstbedienungsladen sein und bei Mader kam noch die Lüge hinzu“) fragte wiederum den Landtag, was man „wie ich selbst“ seinerzeit bei der Verleihung des Ehrenrings wissen hätte müssen.
Hinsichtlich der Landesauszeichnungen ist klar: Die bisherige Vergabepraxis für Altpolitiker wird es nicht mehr geben, die FPÖ will Politikerehrungen überhaupt abschaffen. Abwerz- ger forderte die ÖVP auf, sich endlich zu entstauben. Jakob Wolf möchte noch auf Verbesserungsvorschläge warten, „aber Altpolitiker von Ehrungen nicht generell ausschließen“. Impuls-Klubchef Hans Lindenberger hält den Auszeichnungsautomatismus für nicht mehr zeitgemäß, der grüne Landtagsvizepräsident Hermann Weratschnig ist gegen die „Ordensflut“ und für mehr Auszeichnungen für Frauen. Thomas Pupp schlägt letztlich ein unabhängiges Gremium zur Auswahl der verdienten Persönlichkeiten vor.
Und Mader? Den und den Verein Technikerhaus prüft aktuell der Rechnungshof. (pn)