Beben im Weltfußball: FIFA-Boss Blatter und Platini suspendiert
FIFA-Präsident Joseph Blatter und UEFA-Chef Michel Platini dürfen für 90 Tage kein Amt im Fußball ausüben. Der Franzose kämpft trotzdem weiter um den Posten als Weltverbandspräsident. Einen anderen potenziellen Blatter-Nachfolger erwischte es noch härter.
Zürich – Im größten Beben der Fußball-Geschichte hat es nun auch Joseph Blatter und Michel Platini erwischt. Die FIFA-Ethikkommission sperrte den Fußball-Weltverbandspräsidenten und den UEFA-Chef vorläufig für jeweils 90 Tage. Während dieser Zeit seien beide Top-Funktionäre von allen Fußball-Aktivitäten auf nationaler und internationaler Ebene ausgeschlossen, teilte die rechtsprechende Kammer mit.
Der Bann könne noch um maximal 45 Tage ausgedehnt werden. Die Sanktionen seien Resultate der Ermittlungen der Ethik-Untersuchungskammer, detaillierte Gründe darf das Gremium nach der erfolgten Entscheidung am Donnerstag nicht veröffentlichen. Nach der Sperre gegen Blatter, der laut seinem persönlichen Berater noch um sieben Uhr früh in der Züricher FIFA-Zentrale eingetroffen war, vertritt ihn laut Satzung vorerst Vizepräsident Issa Hayatou aus Kamerun im höchsten FIFA-Amt.
Auch FIFA-Generalsekretär suspendiert
Für Platini bedeutet die Strafe das fast sichere Aus in seinen Ambitionen auf die Nachfolge von Blatter. Der Franzose wird satzungsgemäß vorläufig vom Spanier Angel Maria Villar als Chef der Europäischen Fußball-Union vertreten.
Zudem wurde FIFA-Generalsekretär Jerome Valcke ebenfalls für 90 Tage suspendiert, Präsidentschaftskandidat Chung Mong-joon wurde gar für sechs Jahre gesperrt und muss 100.000 Schweizer Franken (91.894,87 Euro) zahlen. Die Ermittlungen gegen den Südkoreaner waren im Jänner 2015 eröffnet worden, ihm werden Verstöße gegen vier Artikel des FIFA-Ethikcodes im Zusammenhang mit Südkoreas gescheiterter Bewerbung für die WM 2022 zur Last gelegt. Er war bis 2011 auch Mitglied im FIFA-Exekutivkomitee und strebte wie Platini die Nachfolge Blatters an.
Die Schweizer Bundesanwaltschaft hatte vor zwei Wochen ein Strafverfahren gegen Blatter unter anderem wegen des Verdachts der „ungetreuen Geschäftsbesorgung“ eingeleitet. Im Kern geht es um eine Millionen-Zahlung an Platini und TV-Geschäfte mit dem früheren FIFA-Vize Jack Warner, der WM-Rechte für die Karibik für 600.000 Dollar (532.575,89 Euro) und damit deutlich unter dem Marktwert erhalten haben soll.
Platini kämpft weiter um FIFA-Kandidatur
Platini hatte für Dienste zwischen Jänner 1999 und Juni 2002 erst knapp neun Jahre später von Blatter zwei Millionen Schweizer Franken (1,84 Mio. Euro) erhalten. 2011 unterstützten die UEFA-Verbände unter der Führung von Platini den Schweizer im Wahlkampf gegen den Katarer Mohamed bin Hammam. Platini wurde von der Schweizer Bundesanwaltschaft als Auskunftsperson vernommen.
Trotzdem will er um seine Kandidatur als Chef des Weltverbands kämpfen. Er habe am Donnerstagmorgen die nötigen Unterstützerstimmen für eine Bewerbung eingereicht, teilte der Franzose in einem schriftlichen Statement mit. Mit der Sanktion ist der 60-Jährige noch nicht automatisch aus dem Rennen als FIFA-Chef.
Allerdings müsste er eine Prüfung durch die Wahlkommission überstehen - schwer vorstellbar, dass dies als suspendierter UEFA-Präsident gelingen würde. Die schriftliche Unterstützung von mindestens fünf FIFA-Mitgliedsländern muss bis zum 26. Oktober, vier Monate vor dem Wahlkongress, eingereicht werden. (APA/dpa/Reuters/AFP)
Überblick über die Korruptionsaffäre beim Fußball-Weltverband FIFA:
20. Oktober 2010:
Die FIFA-Exekutivmitglieder Reynald Temarii (Tahiti) und Amos Adamu (Nigeria) werden wegen Korruptionsverdachts suspendiert. Sie sollen bereit gewesen sein, ihre Stimmen bei der WM-Vergabe 2018 und 2022 zu verkaufen.
18. November 2010:
Sechs FIFA-Funktionäre werden mit Strafen belegt. „Alle Zweifel sind ausgeräumt“, sagt FIFA-Chef Joseph Blatter.
29. November 2010:
Neue Bestechungsvorwürfe gegen drei weitere Exekutivmitglieder: Ricardo Teixeira (Brasilien), Nicolás Leoz (Paraguay) und Issa Hayatou (Kamerun).
2. Dezember 2010:
Die FIFA vergibt die Weltmeisterschaften an Russland und Katar.
6. Dezember 2010:
FIFA-Vize Julio Grondona (Argentinien) soll etwa 59 Millionen Euro aus Katar erhalten haben.
10. Mai 2011:
Der frühere englische Verbandschef David Triesman beschuldigt Teixeira, Leoz, Vize Jack Warner (Trinidad und Tobago) und Worawi Mukudi (Thailand), unlautere Forderungen vor den WM-Vergaben gestellt zu haben.
20. Juni 2011:
Warner tritt von all seinen Ämtern im Fußball zurück.
21. Oktober 2011:
Nach heftigen Korruptionsvorwürfen setzt die FIFA auf die Hilfe externer Experten und gründet diverse Arbeitsgruppen.
17. Juli 2012:
Der frühere US-Staatsanwalt Michael Garcia wird zum Vorsitzenden der FIFA-Ethikkommission ernannt, der Münchner Richter Hans-Joachim Eckert steht der rechtsprechenden Kammer vor.
22. November 2013:
Blatter unterstellt Deutschland und Frankreich, bei der WM-Vergabe an Katar wegen wirtschaftlicher Interessen politischen Druck auf FIFA-Entscheidungsträger ausgeübt zu haben.
1. Juni 2014:
Laut „Sunday Times“ soll der katarische Ex-Funktionär Mohammed bin Hammam fünf Millionen Dollar an Offizielle gezahlt haben, um sich deren Unterstützung für Katars Bewerbung zu sichern.
13. Juni 2014:
Franz Beckenbauer wird von der FIFA für 90 Tage für jegliche Tätigkeit im Fußball gesperrt. Beckenbauer habe nicht mit der Ethikkommission kooperiert, sagt der Weltverband zur Begründung.
5. September 2014:
Garcia legt seinen Untersuchungsbericht bei der FIFA vor und spricht sich für eine Veröffentlichung aus.
17. Oktober 2014:
Der Bericht wird nach einer Entscheidung der FIFA nicht komplett veröffentlicht.
13. November 2014:
Eckert legt einen weiteren Bericht vor, in dem Russland und Katar keine gravierenden Verstöße bei den Bewerbungen nachgewiesen werden. Garcia legt Einspruch ein.
16. Dezember 2014:
Die FIFA weist Garcias Einspruch als „unzulässig“ zurück. Garcia erklärt daraufhin seinen Rücktritt.
27. Mai 2015:
Kurz vor Blatters geplanter Wiederwahl nimmt die Schweizer Polizei mehrere hochrangige Funktionäre fest. Dazu gehören die FIFA-Vizepräsidenten Jeffrey Webb und Eugenio Figueredo sowie Ex-Vize Jack Warner. Die USA ermitteln gegen 14 ehemalige Spitzenfunktionäre und Geschäftsleute.
29. Mai 2015:
Blatter sieht einen Zusammenhang zwischen den Festnahmen und dem Wahlkongress. Er wird wiedergewählt.
2. Juni 2015:
Blatter kündigt seinen Rücktritt an der Spitze des Fußball-Weltverbandes an.
2. Juli 2015:
Die US-Behörden ersuchen die Schweiz um die Auslieferung von sieben im Mai festgenommenen Fußball-Funktionären.
17. September 2015:
Generalsekretär Jérôme Valcke, Blatters engster Vertrauter, wird vom Weltverband „mit sofortiger Wirkung bis auf weiteres von all seinen Aufgaben entbunden“. Nach in Medien erhobenen Vorwürfen der persönlichen Bereicherung leitet der Weltverband eine «formelle Untersuchung durch die FIFA-Ethikkommission» ein.
25. September 2015:
Die Bundesanwaltschaft in der Schweiz eröffnet ein Strafverfahren gegen Blatter.
2. Oktober 2015:
Die Sponsoren Coca-Cola, McDonald‘s, VISA und Anheuer-Busch fordern im Gegensatz zu Adidas den sofortigen Rücktritt von Blatter. Der lässt über seine Anwälte erklären: Er bleibe im Amt.
7. Oktober 2015:
Die Untersuchungskammer der FIFA-Ethikkommission fordert nach Angaben des Beraters von Blatter eine 90-tägige Freistellung des Präsidenten. Ein Entscheid der rechtsprechenden Kammer stehe allerdings noch aus, sagte Klaus J. Stöhlker.
8. Oktober 2014:
Die FIFA-Ethikkommission sperrt Fußball-Weltverbandspräsident Joseph Blatter und UEFA-Chef Michel Platini vorläufig für jeweils 90 Tage. Zudem wurde FIFA-Generalsekretär Jérôme Valcke ebenfalls suspendiert, teilte die Ethik-Kammer am Donnerstag mit.