Merkel verteidigt Flüchtlingskurs - Neue Kritik aus Bayern

Berlin/Wolfsburg (APA/Reuters/dpa/AFP) - Die Debatte um den richtigen Umgang mit der Flüchtlingskrise in Deutschland geht weiter. Bundeskanz...

Berlin/Wolfsburg (APA/Reuters/dpa/AFP) - Die Debatte um den richtigen Umgang mit der Flüchtlingskrise in Deutschland geht weiter. Bundeskanzlerin Angela Merkel beharrt trotz wachsendem Widerstandes auch in den eigenen Reihen auf ihrem Kurs. „Deutschland ist ein Land, dass die Flüchtlinge freundlich empfängt“, sagte sie in der ARD-Talkshow „Anne Will“ am Mittwochabend. Aus Bayern folgte umgehend Kritik.

Merkel nutzte ihren ersten Auftritt in einer TV-Talkshow seit langem dazu, bei den Bürgern um Verständnis zu werben. Die CDU-Chefin sagte, sie werde nichts versprechen, was sie nicht halten könne. Es gebe keine einfachen Lösungen und es sei nun mal nicht möglich, die Grenze zu schließen. „Es gibt den Aufnahmestopp nicht.“ Erneut verbreitete sie Zuversicht: „Wir schaffen das, da bin ich ganz fest davon überzeugt.“ Auf Spekulationen darüber, dass sie am Freitag den Friedensnobelpreis bekommen könnte, reagierte Merkel eher genervt. „Die Diskussion bedrückt mich fast.“ Sie sei derzeit mit ganz anderen Dingen beschäftigt.

Merkel sieht sich derzeit mit sinkenden Umfrageergebnissen und wachsendem Unmut in der eigenen Partei konfrontiert. Am Donnerstag folgte daher auch umgehend Kritik aus München. Der bayrischer Innenminister Joachim Herrmann kritisierte Merkels Aussage die Dublin-Regel sei „nicht mehr tragfähig“. Wenn dem so sei, müsse über Konsequenzen auf Basis des deutschen Verfassungsrechts nachgedacht werden, sagte Herrmann. Im Grundgesetz sei festgehalten, dass Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten in Deutschland keinen Anspruch auf politisches Asyl haben.

Rückendeckung erhielt Merkel dagegen von Innenminister Thomas de Maiziere (CDU). Er forderte von den Unionsparteien mehr Unterstützung für die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. In dieser Frage sei „mehr Geschlossenheit“ nötig, sagte de Maiziere den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Freitagsausgaben). Die Distanzierung gerade des CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer von der Kanzlerin sei „nicht schön“, kritisierte der Minister. Seehofer fordert dringend eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen.

Unterstützung erhielt die Kanzlerin auch von ihrem Vize, Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel. Er stimme mit Merkel überein, dass man die Grenzen nicht einfach dichtmachen könne, sagte Gabriel in Wolfsburg zu Äußerungen etwa von CSU-Chef Horst Seehofer. „Dann muss jemand sagen, wie das gehen soll: Sollen wir dort die Bundeswehr aufmarschieren lassen - mit aufgepflanztem Bajonett?“, fragte er. Das wolle niemand. „Wir haben ja keine Zugbrücke, die wir hochziehen können.“ Die Menschen kämen auch nicht wegen ein paar Selfie-Fotos mit der Kanzlerin, sondern weil die Weltgemeinschaft lange etwa in der Syrien-Krise nicht gehandelt habe.

Auch mehrere Ministerpräsidenten deutscher Bundesländer stellten sich am Donnerstag hinter Merkel. „Die Kanzlerin hat einen Plan und der ist auch gut“, sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) am Rande der Ministerpräsidentenkonferenz in Bremen. Zu Merkels Auftritt in der Talkshow „Anne Will“ sagte Albig: „Alles, was sie gestern gesagt hat, ist richtig und kann nur unterstützt werden. Wir schaffen das auch (in Schleswig-Holstein).“ Auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier stützte Merkel. Es sei nicht richtig, permanent in Alarmismus zu verfallen. „Das ist eine historische Herausforderung“, sagte der Christdemokrat. Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff erklärte dagegen, die Belastungsfähigkeit der Länder und Kommunen sei erreicht.

Die Oppositionsparteien Grüne und Linke begrüßten das Festhalten Merkels an ihrem Flüchtlingskurs. Allerdings äußerte die Opposition auch Kritik: Sie vermisste ein klares Konzept der Bundesregierung und äußerte Zweifel, ob Merkel ihren Kurs in der Union durchsetzen könne.

An einer Demonstration der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) gegen die Asylpolitik am Mittwochabend in Erfurt beteiligten sich rund 8.000 Menschen. Das waren deutlich mehr als in der Vorwoche.

Unterdessen kam es erneut zu Bränden in Flüchtlingsunterkünften in Deutschland. Ob es sich dabei um fremdenfeindliche Anschläge handelte, war zunächst unklar. Bei einem Brand in einer Flüchtlingsunterkunft in Ingolstadt wurden vier Menschen verletzt. Zwei Frauen und zwei Kinder erlitten Rauchgasvergiftungen und wurden in einem Krankenhaus behandelt. In Ostdeutschland brannte eine geplante Flüchtlingsunterkunft.