Idyllen, in denen das Abgründige lauert
Christoph Raitmayr in der Innsbrucker Galerie Salzmann: Was seine Kunst zu bedeuten hat, weiß er selbst nicht.
Von Edith Schlocker
Innsbruck –Michael Raitmayr ist Bildhauer, der von der Praxis vieler seiner Kollegen, den Sockel abzuschaffen, überhaupt nichts hält. Um diesen vielmehr zum wesentlichen Teil seiner Skulpturen zu machen. Doch was der 38-jährige Gironcoli-Schüler auf oft mehrfach abgetreppte weiße oder graue Sockel stellt, ist höchst ungewöhnlich. Kann das doch eine Teekanne, das Modell eines Segelschiffs, ein Globus, ein Spielwürfel genauso wie eine Pfeife sein. Die nicht zufällig an René Magritte denken lässt, dem ganz großen Vorbild des in Lans lebenden Künstlers.
Raitmayr weiß selbst nicht, was seine Bilder bedeuten, woher sie kommen. Was allerdings überhaupt nichts ausmacht, macht vielleicht gerade die surreale Unergründlichkeit dieser Setzungen ihren Reiz aus. Adelt Raitmayr nicht symbolträchtig besetzte Fundstücke zu Objekten der Kunst, bastelt er in akribischer Genauigkeit Modelle von Häusern. Oder – besser gesagt – einem biedermeierlichen mit unzähligen Fenstern. In dessen Giebel er einen realen Wecker stellt oder zur kulissigen Hülle für ein prächtiges Segelboot macht. Bisweilen steht dieses Haus aber auch auf Stelzen, andere – ganz kleine – stehen auf Betten. Immer vom Abrutschen aus der kuscheligen Idylle bedroht.
Irgendwie unheimlich kommen aber auch die fotografierten Waldimpressionen daher, die Raitmayr gefunden und schön gerahmt auf Sockel stellt. Am Boden stehen dagegen zwei einigermaßen großformatige Objekte. Das eine ist eigentlich die Figur des Schachkönigs, von Raitmayr allerdings ganz in Weiß zum Zwitter aus einem Leuchtturm und einer Kirche transformiert. Daneben steht eine schwarze Straßenlaterne, deren Stütze in der Mitte mehrfach geknickt ist, sozusagen einen Umweg beschreibt. Dieses Objekt wird übrigens im Rahmen der Kunst-im-öffentlichen-Raum-Aktion des Landes irgendwo in Innsbruck real umgesetzt.
In einer aus 16 kleinen Bildchen zusammengesetzten Wandarbeit wird der Betrachter zum integralen Teil. Indem er eintaucht in das, was sich hinter den Tapetenwänden mit ihren geschlossenen Türen abspielt. Um dort vielleicht auf den Biedermeiermaler Friedrich von Amerling zu treffen, wie dessen winziges Porträt als Teil dieses rätselhaften Puzzles vermuten lässt.