„Black Mass“ - Scott Cooper: „Johnny Depp ist ein Nationalheiligtum“
Wien/Hollywood (APA) - Mit „Black Mass“ verfilmte US-Regisseur Scott Cooper das Leben des US-Gangsters James „Whitey“ Bulger. Er wollte kein...
Wien/Hollywood (APA) - Mit „Black Mass“ verfilmte US-Regisseur Scott Cooper das Leben des US-Gangsters James „Whitey“ Bulger. Er wollte keine Geschichte über Kriminelle, sondern über Menschen drehen, erzählte der 45-jährige Filmemacher Journalisten in Los Angeles. In Johnny Depp hat er einen Hauptdarsteller „mit einer tiefen Hingabe“ gefunden.
Frage: Was denken Sie, warum hat man Sie als Regisseur für „Black Mass“ engagiert?
Antwort: Die Produzenten hatten „Crazy Heart“ und „Auge um Auge“ gesehen und wussten, dass ich mich nicht davor scheue, gewalttätige Welten auf eine kompromisslose Weise zu zeigen. Es sind so viele Spieler involviert, die entweder wollen, dass Sie die Wahrheit wissen oder Angst davor haben, dass die Wahrheit ans Tageslicht kommt. Wenn Sie diese Geschichte also wahrhaftig erzählen wollen, dann darf es sich nicht so anfühlen als würden Sie einen Film sehen. Bei „Black Mass“ haben Sie hoffentlich das Gefühl, dass sich das Leben vor Ihren Augen abspielt. Ich hatte keinerlei Interesse daran, einen Film zu machen über Kriminelle, die auch „nur“ Menschen sind, sondern Menschen, die eben auch Kriminelle sind.
Frage: Was hat Sie denn fasziniert an Whitey Bulger?
Antwort: Er war ein notorischer Krimineller, der - während er in Boston straffrei agierte - einen Bruder hatte, der zufälligerweise auch der mächtigste Politiker in der Stadt war. Diese Idee von zwei Brüdern, die auf gegenüberliegenden Seiten des Gesetzes emporstiegen, hat mich fasziniert. Noch dazu hatten sie einen Freund aus Kindheitstagen, der für das FBI arbeitete. Das war ein extrem berauschender Cocktail.
Frage: Haben Sie versucht, Kontakt zu Bulger aufzunehmen?
Antwort: Ja, das haben wir. Es wäre vermutlich schwierig ihn zu treffen, weil er in einem Hochsicherheitsgefängnis sitzt, aber sein Anwalt hat uns mitgeteilt, dass er kein Interesse daran hatte, mit Johnny Depp oder mir zu sprechen.
Frage: Sie haben einen Film über Gangster gemacht, von denen einige noch frei auf der Straße herumlaufen. Sind Sie besorgt?
Antwort: Definitiv, aber als Künstler dürfen Sie keine Angst vor schwierigen Themen haben. Wenn Sie sich in der Welt umsehen, dann gibt es Künstler, die viel größere Risiken als ich eingehen und ich bewundere diesen Mut.
Frage: Johnny Depp ist eine interessante und nicht gerade die augenscheinlichste Wahl.
Antwort: Das ist genau der Grund, warum ich mit ihm arbeiten wollte. Wenn Sie Johnny Depp nehmen, dann nehmen Sie einen der drei berühmtesten Menschen, die es in der Welt gibt. Und ich weiß nicht wer die anderen beiden sind (lacht), aber er ist ein Nationalheiligtum. Er ist ein Schauspieler, der große Risiken eingeht und er ist kein Karrierist, weil es kümmert ihn einen Dreck wie viel Geld seine Filme an den Kinokassen einspielen. Er ist einer der attraktivsten Menschen auf dieser Erde, der zufälligerweise auch einer der talentiertesten Menschen auf dieser Erde ist. Ich wollte zur Abwechslung eine gefährliche Seite an ihm sehen, die ich in seiner Arbeit vermisst hatte. Er hat eine unglaublich tiefe Hingabe und die Rolle hat ihm spürbar einiges abverlangt.
Frage: Hatten Sie die Befürchtung, dass die Menschen Ihren Film mit (dem ebenfalls von Bulger inspirierten) „The Departed“ vergleichen könnten?
Antwort: Wenn Sie einen so meisterhaften Film wie „The Departed“ von Martin Scorsese mit Jack Nicholson haben, dann müssen Sie sich Ihrer Sache sehr sicher sein und eine sehr starke Vision haben. Sie dürfen sich von solchen Dingen aber nicht beeinflussen lassen. Ich versuche eine wahrhaftige Geschichte zu erzählen und in meinem Fall so humanistisch wie möglich. Ich interessiere mich für fehlerhaftes Menschsein.
Die meisten meiner Lieblingsfilme und einige der besten amerikanischen Filme entstammen dem Kriminalgenre. Wenn Sie einen Gangsterfilm drehen, dann müssen Sie das mit großer Sorgfalt tun, weil viele Meisterwerke vor Ihnen kamen. Bösewichte werden tendenziell glorifiziert und ich wollte Whitey Bulger als einen Mann zeigen, der zärtlich mit seinem sterbenden Sohn, liebevoll zu seinem Bruder und humorvoll mit seiner Mutter war, aber eben auch extrem tödlich und gefährlich und ich denke, das ist das, was uns menschlich macht. Zweifellos war er ein Soziopath, aber vielleicht ertappen Sie sich auch dabei, wie Sie versuchen, diesen Menschen zu verstehen.
Frage: Welche Filme kommen Ihnen denn da in den Sinn?
Antwort: „Der Pate“ natürlich, aber ich liebe auch „Gomorrha“ von Matteo Garrone. „Der Dialog“ hat einen großen Einfluss darauf gehabt, wie ich diese Welt sehe, auch wenn es kein Gangsterfilm ist. Ich bin ein großer Fan von Francis Ford Coppola oder auch Orson Welles. Sie filtern alles was Sie von diesen Meistern gesehen haben durch ihre ganz eigene Linse. Aber ich möchte nicht, dass mein Stil unverhohlen ist. Wenn Sie sich die Werke von Michael Haneke, den Dardenne-Brüdern oder Mike Leigh ansehen, dann können Sie eine eigene filmische Qualität erkennen, die nicht schreit wie clever man ist.
Frage: Warum zeigen Sie nicht auch etwas von Bulgers Leben auf der Flucht?
Antwort: Weil er ein sehr langweiliges und undramatisches Leben führte. (lacht) Er ging in den „99 Cents“-Laden, ließ sich einen Bart wachsen, trug einen Hut und hat versucht sich anzupassen. Das gibt nicht viel Drama her.
(S E R V I C E - www.film.info/blackmass; www.blackmassthemovie.com)