VW-Abgasskandal: US-Chef will von Betrug nichts gewusst haben
Der US-Chef von Volkswagen Michael Horn sagt vor dem amerikanischen Kongress aus. Die Manipulationen seien keine Unternehmensentscheidung gewesen.
Washington – Was werden Sie im Knast lesen? “ Die Fragen eines demokratischen Kongress-Abgeordneten an den US-Chef des Volkswagenkonzern zeigt deutlich, der Skandal um manipulierte VW-Motoren wird in den USA auf keinen Fall als „Schummelaffäre“ sondern als krimineller Betrug gesehen wird. Die Empörung in den USA über die Dreistigkeit von VW ist groß und der Ruf nach drastischen Strafen laut. „VW wird einen hohen Preis für dieses dreckige kleine Geheimnis bezahlen“, sagte unter anderem der republikanische Abgeordnete Fred Upton. Die meisten Abgeordneten fordern aber vor allem Aufklärung. „Wir wissen einige Dinge, aber wir wissen nicht genug“, sagte die Demokratin Dianna DeGette. „Wir müssen klären, wer verantwortlich ist.“
Im Frühling vergangenen Jahres habe er von möglichen Verstößen gegen Emissionsregeln erfahren, erklärt Michael Horn den Abgeordneten. „Ich wurde informiert, dass die Vorschriften der Umweltbehörde EPA verschiedene Strafen vorsehen.“ Damit scheint immer klarer zu werden, was sich im Laufe der Affäre bereits abgezeichnet hatte. VW-Verantwortliche waren seit langem über die Ermittlungen im Bilde. Aber wussten sie auch von absichtlichen Tricksereien? Und war ihnen bewusst, wie schwer der Verdacht wiegt? Horn sagt dazu, er sei davon ausgegangen, dass die Ingenieure des Konzerns mit der Umwelt-Behörde EPA an einer Lösung arbeiteten. Und er betont vor dem Kongress immer wieder, er habe zwar seit 18 Monaten von eventuellen Regelverstößen gewusst, aber nicht davon, dass der Grund dafür in gezielter Manipulation lag. „Ich hatte keine Kenntnis, dass es einen „Defeat Device“ in unseren Autos gab.“ Als „Defeat Device“ wird die Software bezeichnet, mit der die Emissionstests ausgetrickst wurden. Ihre Installation sei keine „Unternehmensentscheidung“ gewesen, der Vorstand habe sie nicht beschlossen, beteuert Horn.
Das alles ändert aber nichts an der wichtigen Frage: Wen hat Horn in der Wolfsburger Konzernzentrale wann über den Verdacht der US-Behörden informiert? Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Konzernkreisen erfuhr, setzte Horn schon 2014 den inzwischen beurlaubten VW-Entwicklungschef Heinz-Jakob Neußer in Kenntnis. Neußers Anwältin wollte dazu auf Anfrage keine Stellungnahme abgeben.
Die Justiz dürfte sich für diese Details durchaus interessieren. Denn die Suche nach Schuldigen im VW-Skandal nimmt Fahrt auf. Bei einer groß angelegten Razzia hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig in Wolfsburg und anderen Orten Akten und Computer sichergestellt. Es seien sowohl Geschäftsgebäude des Konzerns als auch Privatgebäude sowie Wohnungen von VW-Mitarbeitern durchsucht worden.
Fest steht: Die Manipulation der Abgaswerte ging über Jahre. Doch erst im September kam der Stein ins Rollen, nachdem Volkswagen gegenüber der EPA einräumte, in den USA seit 2009 bei den Emissionstests für fast eine halbe Million Diesel-Autos getrickst zu haben. Der tatsächliche Abgasausstoß lag um ein Vielfaches über den frisierten Messwerten. Weltweit sind rund elf Millionen Wagen betroffen. Ob die Konzernspitze wirklich so lange nichts von dem Betrug wusste, müssen die Ermittlungen zeigen. (APA, dpa, Reuters)
Was noch geschah
Volkswagen wird nach Worten der US-Umweltbehörde EPA in der kommenden Woche in der Abgasaffäre den zuständigen Behörden in den USA und Kalifornien eine neue Software vorstellen. Es handle sich um einen ersten Versuch, die Abschalteinrichtung („defeat device“), die in den VW Passat zwischen 2012 und 2014 eingebaut wurde, zu korrigieren, teilte die EPA am Donnerstag mit. Bevor der neue Algorithmus angewendet werden darf, müssen ihn die Behörden genehmigen .VW-US-Chef Michael Horn hatte bei einer Anhörung im US-Kongress erklärt, bei 430.000 der insgesamt knapp 500.000 Fahrzeugen mit manipulierter Motorensteuerung werde ein Software-Update alleine nicht ausreichen, um die Emissionsvorgaben zu erfüllen.
Unterdessen teilte die australische Volkswagen-Tochter mit, einen freiwilligen Rückruf der Autos vorzunehmen, die mit Abschaltsoftware ausgestattet sind. Früheren Angaben zufolge könnten bis zu 90.000 Wagen betroffen sein.
Ein Teil der erwarteten milliardenschweren Kosten des Abgas-Skandals für Volkswagen werden nach den Worten von DIW-Präsident Marcel Fratzscher beim Steuerzahler hängen bleiben. „Der deutsche Staat, und damit der Steuerzahler, haben bereits finanzielle Verluste erlitten und werden sich an den Kosten beteiligen müssen“, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). „ Denn dem deutschen Staat gehören 20 Prozent des Volkswagen-Konzerns. Damit ist der Staat verpflichtet, finanzielle Leistungen zu erbringen.“
Im Abgasskandal beim deutschen Autobauer Volkswagen haben zwei grüne Abgeordnete aus Österreich eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Salzburg, am Sitz der Porsche Holding, eingebracht. Die Vorwürfe: vorsätzliche Gemeingefährdung und vorsätzliche Beeinträchtigung der Umwelt. Die Anzeigensteller, der Abgeordnete Matthias Köchl und einer seiner Parlamentskollegen, verlangen unter anderem die Einvernahme des Chefs der Porsche Holding, die zum VW-Konzern gehört.