Loderndes Feuer: Refused zu „Useless Europeans“ und Flüchtlingskrise
Wien (APA) - Ihre Rückkehr vor wenigen Jahren glich einem kleinen Wunder: Schließlich schienen die Gräben zwischen den Mitgliedern der schwe...
Wien (APA) - Ihre Rückkehr vor wenigen Jahren glich einem kleinen Wunder: Schließlich schienen die Gräben zwischen den Mitgliedern der schwedischen Punkband Refused nach deren Auflösung Ende der 90er-Jahre unüberbrückbar. Und doch: Mit „Freedom“ erschien heuer sogar ein neues Album. „Wir wollten weiter machen und dafür brauchten wir neue Musik“, so Sänger Dennis Lyxzen. „Das war eine natürliche Entwicklung.“
Wobei „natürlich“ im Falle von Refused so eine Sache ist: 1991 in Umea gegründet, erspielte man sich in der Hardcore-Szene einen Namen und veröffentlichte zwei solide Alben, bevor 1998 „The Shape of Punk to Come“ auf den Markt geworfen wurde: Ein Monstrum von einem Album, zwischen Metal, Punk und Freejazz changierend, das inhaltlich einem Manifest nahekam. Wie ein ausgestreckter Mittelfinger, den Lyxzen und Co hier dem Establishment entgegenhielten. Es sollte nicht nur der größte Erfolg der Gruppe werden, sondern auch ihr Untergang.
Jedenfalls vorläufig, denn die Lorbeeren dieser Platte, die über die Jahre zum unumstößlichen Fixstern alternativer Gitarrenmusik aufstieg, fuhr die Gruppe nicht ein. Nur wenige Monate nach der Veröffentlichung löste man sich auf, Streitereien und gegenseitige Schuldzuweisungen verschiedenster Art sollten die folgenden Jahre dominieren. Mit „Refused Are Fucking Dead“ hat Gitarrist Kristoffer Steen das letzte Jahr des Bestehens sogar in einem Dokumentarfilm aufgearbeitet. So war es einigermaßen überraschend, als 2010 erste Gerüchte die Runde machten, dass an einer Rückkehr gebastelt wurde.
„Mit den ersten Shows waren wir nicht komplett glücklich“, erinnerte sich Schlagzeuger David Sandström im APA-Gespräch an das Bühnencomeback vor drei Jahren. „Wir haben aber hart daran gearbeitet, an kleinen Rädchen gedreht und Sachen adaptiert. So wurden wir besser und besser. Jeder gab alles.“ Und Lyxzen ergänzte: „Diese Band verlangt ein ganz besonderes Bekenntnis. Ohne ist es nicht möglich.“ Davon abgesehen hatten die Musiker durchaus mit der Nachfrage zu kämpfen. Refused, das war im vergangenen Jahrzehnt unter Hardcore-Fans ein mit Ehrfurcht geäußerter Name. Und nun konnte man sie wieder live erleben. „Diese großen Shows waren für uns früher eher die Ausnahme denn die Regel“, schmunzelte der Sänger. „Wir brauchten einige Zeit, um uns damit anzufreunden.“
Nach und nach funktionierte die Balance besser, stieg das Selbstbewusstsein und das Vertrauen in die Performance. Und schließlich gab es die Frage, ob und wie man weiter machen sollte. „Es waren verschiedene Aspekte, die uns zeigten, dass wir diesen Weg weitergehen wollen“, so Lyxzen. Und da Sandström, Steen und Bassist Magnus Flagge bereits einige Songskizzen parat hatten, dauerte es nicht lange, um die Idee eines neuen Albums reifen zu lassen. „Wir haben aber wirklich lange gebraucht, um diese Platte fertigzustellen“, unterstrich Lyxzen. Im Zuge dessen schied auch Jon Brännström aus der Band aus, was offenbar nicht ganz freiwillig geschah. Sandström kommentierte das nur nebenbei: „Wir wollten das Album nicht mit ihm machen.“
Jedenfalls mit von der Partie war der ursprüngliche Bandname, der aber auch einiges an Druck bedeutete. „Wir haben über andere Namen sogar nachgedacht“, erläuterte der Schlagzeuger. „Ich war ja dafür, ein ‚The‘ davor zu setzen. The Refused. Aber so wie es jetzt ist, passt es. Wir hatten einfach unerledigte Sachen mit Refused.“ Klar war für die Musiker, dass man nicht zurückblicken wollte - aus kreativer Perspektive. „Einige Bands entdecken ja diese spezielle Formel, die für sie funktioniert. Wir hatten aber immer ein Faible für verrückte Sachen“, sagte Lyxzen. „Dementsprechend ging es uns darum, Neues auszuprobieren.“
Für „Freedom“ hieß das letztlich: eine gehörige Portion Pop zuzulassen. Denn obwohl Stücke wie „Elektra“, „Francafrique“ oder „War on the Palaces“ mit harten Riffs und unbarmherzigen Beats nicht geizen, waren Refused wohl noch nie so eingängig zu erleben. „Man könnte sagen, dass die Angst vor der Wiederholung unsere größte Schwäche ist“, versuchte sich Sandström an einer Erklärung. „Das kann schon mal dazu führen, dass wir etwas Gutes über Bord werfen, nur weil es uns zu bekannt oder vertraut vorkommt. Wir graben uns ganz tief in die Songs hinein und versuchen dann, einen Weg raus zu finden. Und das gelingt nicht immer.“
Erneut zu finden ist die politische Komponente: Als Texter hat sich Lyxzen noch nie ein Blatt vor den Mund genommen. Und so singt er nun von „Useless Europeans“ oder den „366“ toten Flüchtlingen vor Lampedusa im Oktober 2013. „Ich habe damals einen kleinen Artikel darüber gelesen“, resümierte der Sänger die Entstehungsgeschichte des Songs, der nach wie vor erschreckend aktuell ist. „Die Politiker haben nicht gesagt, dass sie diesen Leuten helfen möchten. Sie wollten Europa unattraktiver für die Flüchtlinge machen. Ich dachte nur: Was für eine beschissene Antwort! Und andererseits muss man sich vor Augen halten, dass das doch nur die Spitze des Eisbergs ist.“
„Im Westen sind wir so besessen von Zahlen“, warf Sandström ein. „Es gibt aber keinen Weg, diese Tragödien zu quantifizieren. Das sind einfach Menschen, die verschwinden. Sie sind uns nichts wert, außer wir finden endlich einen Plan, damit umzugehen. Aber das war vor zwei Jahren! In der EU haben sie sich verhalten, als ob sie in der Schule sitzen: Niemand wollte die Hand heben, niemand wollte die Verantwortung. Und so kam ein Boot nach dem anderen.“
Dass ein Song oder Album über die Flüchtlingskrise nicht die Welt verändern werde, darüber sind sich Refused im Klaren. „Aber Musik hat beispielsweise uns hierher gebracht“, betonte Lyxzen. „Und Bands wie die Dead Kennedys oder The Clash: Sie haben über Politik gesprochen und gesungen. Heute ist das vielleicht wichtiger als je zuvor. Warum fühlen wir uns dann wie die einzige Band, die darüber spricht, was der Kapitalismus der Welt antut?“ Die Wut scheint bei Refused auch trotz 15 Jahren Pause das kreative Feuer am Lodern zu halten.
(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)
(S E R V I C E - http://officialrefused.com)